Razzien gegen deutsche Stiftungen in Russland Bundesregierung reagiert verärgert

Berlin · Klartext. Das ist eigentlich die Abteilung, die SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück für sich reklamiert. Doch wenn Angela Merkel (CDU) in zehn Tagen am Eröffnungsabend der Hannover-Messe den russischen Präsidenten Wladimir Putin trifft, wird auch die deutsche Bundeskanzlerin mit Instrumenten aus dieser Abteilung operieren: Klare Kante wegen der russischen Repressalien gegen deutsche politische Stiftungen in Russland.

 Opfer der russischen Justiz: Rachel Denber von Human Rights Watch.

Opfer der russischen Justiz: Rachel Denber von Human Rights Watch.

Foto: dpa

Es geht Merkel nach den jüngsten Razzien gegen Nichtregierungsorganisationen in Russland, darunter deutsche Stiftungen, um Demokratie, Freiheit und Menschenrechte.

Erstaunlicherweise hatte ausgerechnet Klartext-Mann Steinbrück in einem jüngsten Interview zur Lage in Russland gewissermaßen nur geflüstert. Russland könne demnach nicht nur nach westlichen Demokratie-Maßstäben gemessen werden, sagte er "Zeit Online", womöglich zu einem Zeitpunkt, als das Ausmaß der Razzien noch nicht bekannt war. Russland sei ein Partner, "dessen Interessen wir gut kennen und berücksichtigen sollten".

Für jemanden, der wie Merkel unter den Bedingungen des autoritären Regimes der DDR aufwachsen musste, ist Freiheit ein besonderes Anliegen. Regierungssprecher Steffen Seibert machte gestern auch deutlich, dass die Bundeskanzlerin Themen wie Menschenrechte und Demokratie "immer klar" anspreche und die Bundesregierung die Razzien gegen deutsche Parteistiftungen wie gegen Nichtregierungsorganisationen überhaupt "mit großer Sorge" verfolge.

Deutschland betreibe eine "wertebasierte Außenpolitik". Dazu zählten selbstverständlich Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, Zivilgesellschaft und Menschenrechte. Seibert kritisierte im Namen der Bundesregierung, dass Vertreter von Staatsanwaltschaft, Steuerpolizei und Justizministerium die Büros von Nichtregierungsorganisationen wie auch der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung und der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Sankt Petersburg und Moskau durchsucht hätten.

Dabei hätten die Behördenvertreter Computer beschlagnahmt und die Herausgabe von Dokumenten beantragt. Es sei nicht akzeptabel, dass die Arbeit von Stiftungen und anderen Nichtregierungsorganisationen in Russland "beeinträchtig oder gar kriminalisiert" werde. "Deswegen wollen wir uns dafür einsetzen, dass das aufhört", betonte Seibert.

Mit Blick auf die gemeinhin als gut geltenden bilateralen Beziehungen sagte er: "Unsere Stiftungen und ihre Partner in der russischen Zivilgesellschaft tragen ganz erheblichen Abteil an der Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen." Unbesehen von den regierungsamtlichen Protesten aus Deutschland, aber auch aus Frankreich, gingen die Durchsuchungen in Russland gestern weiter.

Vertreter von Staatsanwaltschaft, Justizministerium und Steuerpolizei besetzten über Stunden das Moskauer Büro der weltweit agierenden Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). "Es läuft eine große Kontrollwelle, in die nun auch wir hineingeraten sind", sagte Rachel Denber von HRW.

Der Direktor des Zentrums für Deutschlandforschung bei der Russischen Akademie der Wissenschaften, Wladislaw Below, sprach unterdessen von einem "Imageschaden" für Russland. "Solch eine Aufregung kann Präsident Putin vor seinem Deutschlandbesuch kaum recht sein", sagte Below der Deutschen Presse-Agentur. Womöglich sei ein Signal Putins überbewertet worden, woraufhin einige Behörden ihren Aktionismus gestartet hätten.

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