Indonesien Bis zum bitteren Ende

Bangkok · Der Blasphemieprozess gegen Jakartas Gouverneur wird nicht eingestellt. Ihm wird von radikalen konservativen islamischen Geistlichen vorgeworfen, er habe im Wahlkampf eine Sure des Korans verunglimpft.

 Wegen angeblicher Blasphemie angeklagt: Jakartas amtierender Gouverneur Basuki „Ahok“ Tjahaja Purnama.

Wegen angeblicher Blasphemie angeklagt: Jakartas amtierender Gouverneur Basuki „Ahok“ Tjahaja Purnama.

Foto: dpa

Fünf Richter in Indonesiens Hauptstadt scheinen fest entschlossenen, einen zweifelhaften Prozess wegen angeblicher Blasphemie gegen Jakartas amtierenden Gouverneur Basuki „Ahok“ Tjahaja Purnama bis zum bitteren Ende durchzuziehen. „Die Argumente, die er für eine Einstellung des Verfahrens vorgebracht hat, stehen im Zentrum des Prozesses“, verkündete das Gericht am Dienstag. Gleichzeitig beschlossen die Richter, den nächsten Prozesstag am 3. Januar in das Landwirtschaftsministerium zu verlegen. Begründung: Das Verfahren soll für mehr Zuschauer offen sein.

Ahok, wie der Gouverneur im Volksmund genannt wird, wird von radikalen konservativen islamischen Geistlichen vorgeworfen, er habe im Wahlkampf eine Sure des Korans verunglimpft. Sein angebliches Vergehen: Bei einem Auftritt vor Fischern am Stadtrand von Jakarta hatte er halb spaßig erklärt, seine Anhänger würden von Leuten hereingelegt, die behaupteten, der Koran verbiete muslimischen Gläubigen, einem nicht-islamischen Führer zu folgen.

Die Äußerung wurde sofort von der radikalen Gruppe „Front Pembela Islam“ (Islamische Verteidiger Front) aufgegriffen, um Ahok anzugreifen. Sie hatten den amtierenden Gouverneur, ein Christ und Angehöriger der chinesischer Minderheit, wegen seiner Religion bereits als unqualifiziert attackiert, als er 2014 das Amt von seinem Vorgänger und damaligen Verbündeten Joko Widodo, dem aktuellen Präsidenten, übernahm.

Damals fand die Kampagne kaum Widerhall. Doch diesmal schaffte die FPI den Durchbruch in der Öffentlichkeit. Der Grund: eine Verschwörung mit Susilo Bambang Yudhoyono, Widodos Vorgänger als Präsident. Er sorgte für einen schier unendlichen Geldfluss an die FPI.

Der Ex-Präsident will seinen Sohn, Agus Harimurti Yudhoyono, im Februar zum Gouverneur von Jakarta machen – und er scheint erfolgreich. Denn seit den radikalislamischen Attacken auf Ahok schrumpfte dessen Vorsprung bei Meinungsumfragen, und gegenwärtig führt der Filius des früheren Präsidenten.

Aber die Yudhoyono-Sippe öffnete mit ihrer Wahltaktik die Tore für eine riskante, wahrscheinlich unumkehrbare Entwicklung in Indonesien. Das Land mit den meisten muslimischen Einwohnern der Welt galt in der Vergangenheit nicht nur als größte Demokratie in einem islamischen Land, sondern auch als Vorbild für das friedliche Zusammenleben seiner 250 Millionen Einwohner mit zahlreichen verschiedenen Konfessionen.

Zwar versucht Saudi-Arabien seit Jahren, seine konservative Form des Islam in dem südostasiatischen Staat zu verbreiten. Aber erst nach den Attacken der FPI wich die Toleranz einer aufgeheizten Pogromstimmung. Christen versteckten sich plötzlich in ihren Häusern und bei ihren Verwandten. Am Arbeitsplatz mieden Angehörige der religiösen Minderheiten Kontakte mit ihren islamischen Kollegen. Kurz vor Weihnachten zog die Hardliner-Gruppe FPI gar in Begleitung der Polizei durch Einkaufszentren der Stadt Surabaya und verbot Personal und Kunden das Tragen von Weihnachtsmützen.

Die Hetze radikaler islamischer Gruppen trifft mit Bemühungen der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) zusammen, in Indonesien aktiv zu werden. Sondereinheiten stöberten im Dezember mehrere Ableger der Gruppe auf, die zu Weihnachten und zu Neujahr Bombenanschläge geplant hatten. Rund ein halbes Dutzend Terroristen wurde erschossen. Unter den Toten befand sich erstmals in Indonesien auch eine junge Frau. Sie sollte sich im Präsidentenpalast in die Luft sprengen.

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