Interview mit Allgemeinmediziner Walter Dresch "Bei vielen Ärzten herrscht keinerlei Unrechtsbewusstsein"

Der Kölner Allgemeinmediziner Dr. Walter Dresch hat Pharmavertreter seit nunmehr 34 Jahren aus seiner Praxis verbannt. Er ist Mitglied der Ärzte-Initiative "Mein Essen zahl ich selbst" (siehe Infokasten), die sich gegen Einflussnahme unter anderem durch die Industrie stellt.

 Walter Dresch ist seit 1981 als Facharzt für Allgemeinmedizin in Köln niedergelassen. Der heute 67-Jährige hat in Bonn und Aachen studiert. Dresch ist Vorstandsmitglied im Institut für hausärztliche Fortbildung (IhF).

Walter Dresch ist seit 1981 als Facharzt für Allgemeinmedizin in Köln niedergelassen. Der heute 67-Jährige hat in Bonn und Aachen studiert. Dresch ist Vorstandsmitglied im Institut für hausärztliche Fortbildung (IhF).

Foto: Harald Fleissner

Mit Dresch sprach Delphine Sachsenröder.

Wie bewerten Sie den Gesetzesentwurf der Bundesregierung?

Walter Dresch: Das war eine Gesetzeslücke, die geschlossen werden musste. Vielleicht können dadurch Fälle wie vor ein paar Jahren besser geahndet werden, als der Arzneimittelhersteller Ratiopharm Ärzten ein Computerprogramm für Diagnosen zur Verfügung stellte, das als Empfehlung immer Ratiopharm-Medikamente vorschlug. Diese Art von Steinzeit-Korruption ist für mich ein Zeichen dafür, dass bei vielen niedergelassenen Ärzten keinerlei Unrechtsbewusstsein herrscht.

Sie wehren sich als Mitglied der Initiative "Mein Essen zahl ich selbst" gegen Lobby-Einflüsse. Was bedeutet das für Ihre Praxis?

Dresch: Seit der Eröffnung 1981 habe ich nie einen Pharmareferenten empfangen. Das hat sich schnell herumgesprochen und es kamen auch keine Anfragen aus der Industrie mehr. Seitdem bin ich als absoluter Exot verschrieen. Viele Kollegen können meine Haltung nicht nachvollziehen.

Was meinen Ihre Patienten dazu?

Dresch: Ein Plakat im Wartezimmer erklärt genau, warum ich mich in meinen ärztlichen Entscheidungen nicht von Pharmaindustrie oder Geräteherstellern beeinflussen lassen will. Eine ärztliche Behandlung sollte sich allein nach wissenschaftlich bewiesenen Tatsachen richten. Die Resonanz der Patienten darauf ist sehr positiv.

Ist denn Korruption unter niedergelassenen Ärzten nach Ihrer Erfahrung verbreitet?

Dresch: Das lässt sich schwer beziffern. Sogenannte Anwendungsbeobachtungen werden zumindest noch gerne durchgeführt, bei denen Ärzte ihren Patienten ein bestimmtes Medikament verschreiben, die Wirkung dokumentieren und dafür Geld vom Hersteller erhalten. Mir fällt in meiner Praxis etwa auf, das Patienten von Ärzten einer bestimmten Fachrichtung alle das gleiche - teure - Medikament erhalten. Auch Fortbildungen werden weiter von der Pharmabranche gesponsert, wenn auch nicht mehr wie früher etwa als getarnte Luxusreisen.

Sie bilden auch junge Mediziner mit aus. Hat sich das Bewusstsein geändert?

Dresch: Junge Ärzte sind in der Regel besser ausgebildet. Sie können sich ihr wissenschaftliches Urteil aus Studien gut selber bilden und sind nicht wie einige Kollegen vor Jahrzehnten auf die Empfehlungen der Pharmareferenten in ihrer Verschreibungspraxis angewiesen. Aber gleichzeitig führt die starke Ausrichtung der medizinischen Forschung und Lehre auf Drittmittel dazu, dass im gesamten System zu viel Nähe zur Industrie besteht.

Die Ärzte-Initiative

Die Initiative "Mein Essen zahl' ich selbst - Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte" wurde 2006 gegründet. Vorbild war die US-amerikanische Ärzte-Bewegung "No Free Lunch". Der Name ist eine Anspielung auf Essenseinladungen von Ärzten durch Pharmavertreter. Die Mitglieder der deutschen Vereinigung verpflichten sich unter anderem dazu, keine Pharmavertreter zu empfangen, Zurückhaltung in der Verordnung jüngst zugelassener Arzneimittel zu üben, keine Geschenke und keine Einladungen zum Essen anzunehmen, keine Anwendungsbeobachtungen durchzuführen, keine pharmafinanzierten Computerprogramme einzusetzen und sich durch herstellerunabhängige Veranstaltungen und Fachzeitschriften weiterzubilden.

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