Kommentar zum Turbo-Abitur Beharrliche Eltern

Meinung | Düsseldorf · Die Kommunen in NRW können ab Donnerstag gegen das Turbo-Abitur stimmen. Welche Entscheidung auch getroffen wird - es sollte eine für viele Schuljahre gültige Lösung sein.

Wenn an diesem Donnerstag in den Rathäusern Listen ausgelegt werden, in die sich Befürworter des neunjährigen Gymnasiums eintragen können, werden sich viele Ältere erinnern, wie aufgeheizt die Stimmung beim bisher einzigen erfolgreichen Volksbegehren im Land war.

Vor fast 40 Jahren liefen Elternverbände Sturm gegen das Projekt der Landesregierung einer „Kooperativen Schule“, einer Art Gesamtschule. Maßgeblich unterstützt wurden sie damals von der CDU, die nicht nur inhaltlich gegen die SPD/FDP-Koalition punkten, sondern auch zeigen wollte, dass sie aus der Opposition heraus eine Kampagne erfolgreich gestalten kann.

Und heute? Auch diesmal gibt es engagierte Eltern, die mit dem achtjährigen Gymnasium ein Projekt zu Fall bringen wollen und dafür zum G9 zurück wollen. Das war's aber schon mit den Gemeinsamkeiten. Diesmal steht nicht die große Oppositionspartei CDU an der Seite der Eltern, sondern mit den Piraten die kleinste Fraktion im Landtag.

Zudem haben alle Parteien in NRW in ihren Wahlprogrammen längst Teile dessen aufgegriffen, was die Eltern fordern, nämlich die Möglichkeit, in den Gymnasien überall im Land das Abitur nach neun statt nach acht Jahren abzulegen. Das ist das eigentliche Verdienst der verschiedenen Initiativen wie „G-ib-8“ oder „G9-jetzt“.

Schüler durch G8 überfordert

Mit ihrer Beharrlichkeit haben sie die einbetonierten Positionen im Landtag aufgeweicht. Hätten die Initiativen nicht andauernd darauf hingewiesen, dass viele Kinder und Jugendliche durch die Schulzeitverkürzung und die Verdichtung des Lernstoffs überfordert sind, dass sie mehr Zeit zum Wiederholen brauchen und auch für außerschulische Aktivitäten, zum Beispiel in Sport- oder Musikvereinen, ja dann würde die Landespolitik wohl immer noch stur auf G8 setzen.

Obwohl es in den Lehrerkollegien, bei den Eltern und vor allem den Schülern längst viel Kritik am Turbo-Abitur gab, waren sich von der Bildungsministerin bis zum sonst schärfsten Oppositionskritiker lange alle maßgeblichen Politiker einig, am G8 festhalten zu wollen.

Im Umkehrschluss bedeutet dieser Erfolg für die Elterninitiativen aber auch, dass sie es sehr viel schwerer haben werden als ihre Vorgänger vor 40 Jahren, die Unterschriften zusammenzubekommen, um einen Volksentscheid zu erzwingen und auf diese Weise das flächendeckende neunjährige Gymnasium durchzusetzen.

Scheitert das Volksbegehren, sind die Parteien im neugewählten Landtag am Zug, eine grundsätzliche Entscheidung im Blick auf die Lernzeit in den Schulen zu treffen – nicht übereilt, sondern fundiert, wohlbegründet und gültig für viele Schuljahre. Damit ein Wunsch in Erfüllung geht, der vor allem von den Lehrern immer wieder geäußert wird: Dass nicht andauernd Fragen der Schulstruktur aufgeworfen werden, sondern vielmehr die Inhalte im Mittelpunkt stehen.

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