„Ausschalten, wo immer er existiert“

Washington · US-Präsident Obama hat in einer Fernsehansprache an die Nation erklärt, wie er das Terror-Netzwerk „Islamischer Staat" zerstören will

US-Präsident Barack hat den„Islamischen Staat“ (IS) de facto zum Staatsfeind Nr. 1 gemacht und derTerror-Miliz den Krieg erklärt. Das dschihadistische Netzwerk im Irak und inSyrien werde mit Hilfe der amerikanischen Luftwaffe und der Unterstützung einerReihe von Partnerländern am Boden in den nächsten Monaten geschwächt und amEnde zerstört, sagte Obama am Mittwochabend in einer mit Spannung erwartetenFernsehansprache im Weißen Haus.

Unter amerikanischer Führung werde es einedauerhafte, umfassende und unnachgiebige Offensive geben, um den IS„auszuschalten, wo immer er existiert.“ Erstes Indiz: Obama hat weitere 475Soldaten zur Ausbildung der irakischen Streitkräfte entsandt. Damit sindbereits 1500 GI‘s wieder in dem Land stationiert, aus dem sich Amerika vor balddrei Jahren militärisch komplett zurückgezogen hatte. Außerdem hat Obamagestern 25 Millionen Dollar Soforthilfe freigegeben. Mit dem Geld sollen dieRegierung in Bagdad und die kurdische Regionalregierung im Norden des Irak indie Lage versetzt werden, ihre Streitkräfte besser zu schulen.

US-Kampfjets und Drohnen attackierenbereits seit dem 8. August IS-Stellungen im Nordirak. Nach Angaben desVerteidigungsministeriums in Washington wurden bei 154 Einsätze 212 Zielezerstört, darunter gepanzerte Fahrzeuge und Artilleriegeschütze. Ab sofort istauch das Nachbarland Syrien, wo der IS Hochburgen hat, im Visier der USA. „Ichwerde nicht zögern, auch gegen Stellungen der Terrormiliz in Syrienvorzugehen", sagte Obama. Ein gewaltiger Kurswechsel. Drei Jahre langhatte sich Obama aus dem syrischen Bürgerkrieg nach Kräften herausgehalten. Nunwill er wie auch immer geartete Vorteile fürMachthaber Pascher al-Assad vermeiden, der für 200 000 Tote in Syrienverantwortlich gemacht wird. „Im Kampf gegen IS dürfen wir uns nicht aufdas Assad-Regime verlassen, das das eigene Volk terrorisiert; ein Regime, dasniemals die Legitimität wieder erhalten wird, die es verloren hat“, sagte derPräsident.

Wann Angriffe in Syrien geflogen werden,ließ Obama offen. Damit moderate syrischen Rebellen besser für den Kampf gegenden IS und Assad trainiert werden können, hat er Kongress aufgefordert, Geldund einen neuen Rechtsrahmen zur Verfügung zu stellen. Wie vor der Rede nacheinem Telefonat zwischen Obama und dem Königshaus in Riad bekannt wurde, hatSaudi-Arabien den USA angeboten, Militärstützpunkte für die Ausbildung dersyrischen Kämpfer zur Verfügung zu stellen. In Jordanien geschieht diesbereits. Dort bildet die CIA in einer verdeckten Aktion syrische Rebellen aus,um gegen Assad anzutreten.

Obama betonte, dass die USA gegen den ISeine „breite internationale Koalition anführen, um diese terroristischeBedrohung zurückzudrängen“. Einen Zeitrahmen für den Einsatz nannte er nicht. „Eswird Zeit benötigen, ein Krebsgeschwür wie den IS auszumerzen", sagte er.Obama scheidet in zwei Jahren aus dem Amt. Damit ist wahrscheinlich, dass seinNachfolger oder seine Nachfolgerin den Kampf gegen die Radikal-Islamisten erbenwird.

Prinzipiell begründete Obama sein Vorgehenmit dem Expansionsstreben des IS und der Gefahr für den ganzen Nahen undMittleren Osten wie auch mittelfristig für Amerika. „Obwohl wir noch keinespezielle Verschwörung gegen unser Heimatland aufgedeckt haben, haben IS-AnführerAmerika und unsere Verbündeten bedroht“, sagte Obama, ohne dabei dieEnthauptung der beiden US-Journalisten James Foley und Steven Sotloff zuvergessen. Seine Antwort erinnerte im Ton fast an Vorgänger George W. Bush:„Wer uns bedroht, findet nirgendwo auf der Welt einen sicheren Rückzugsort.“

Obama zog bei seiner Strategie gegen dieDschihadisten Parallelen zu den Anti-Terror-Einsätzen, die Washingtonseit vielen Jahren im Jemen und in Somalia führt. Dieses Vorgehen gründe auf„stetigen und unermüdlichen Bemühungen", die El Kaida-Ableger in Afrikamit Luftschlägen und verbündeten Regierungstruppen zu bekämpfen. Auf den ISübertragen heißt das: "Es wird keine amerikanischen Kampftruppengeben, die auf ausländischem Boden kämpfen.“ Gegen das Terrornetzwerk, demObama absprach a) islamisch und b) ein Staat zu sein, werde man nicht soagieren wie in den Kriegen im Irak und in Afghanistan.

Oppositionsführer John Boehner stimmte derStrategie in einer ersten Stellungnahme grundsätzlich zu. Der Republikaner hatjedoch Bedenken, dass die Umsetzung - insbesondere die Ausbildung derirakischen wie syrischen Armee - Jahre dauern könnte. Unterdessen könnte der ISweiteres Territorium unter seine Kontrolle bringen. Andere Kritiker bei denKonservativen wie Senator John McCain warfen Obama vor, mit dem Total-Abzug derUS-Truppen aus dem Irak Ende 2011 die Terrorgruppe ISIL erst stark gemacht zuhaben. Vielen fiel Obamas Vergleich zu Jemen und Somalia negativ auf. EinGrund: Amerika habe im Nordirak in wenigen Wochen mehr Angriffe geflogen als inbeiden Ländern in mehreren Jahren zusammen. „Das kann man nicht vergleichen“,kommentierten mehrere Politik-Blogger, „der IS ist viel stärker.“ Und:Abgesehen von der Ausschaltung einzelner Kader der dort im Geiste von El Kaidakämpfenden Terrorgruppen seien beide Länder „trotz jahrelanger amerikanischerBetreuung in hohem Maße instabil geblieben“, hieß es auf dem linksliberalenSender MSNBC. Dort wurde Obamas Plan auch grundsätzlich in Zweifel gezogen.Sich auf Bodentruppen fremder Armeen zu verlassen, während man selbst nur viaLufwaffe und Drohnen aktiv wird, sei kein Erfolgsrezept. „Fehler, die am Bodenpassieren, würden Amerika zur Last gelegt.“

Knapp15 Minuten dauert die Rede des Präsidenten an die Nation. In seiner Abschiedserklärungsagte Obama, der 2008 als Anti-Kriegs-Präsident gewählt worden war: „Möge Gottunsere Soldaten segnen.“ Er sollte es am Donnerstagmorgen wiederholen. Bei derSchweigeminute zum 13. Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001. Das war derTag, an dem Amerikas erster Krieg gegen den Terror begann. Obama hatnun Teil 2 angeordnet.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort