Tödliche Polizeischüsse auf Michael Brown Ausnahmezustand in Ferguson

WASHINGTON · Auch zehn Tage nach den tödlichen Polizeischüssen auf den 18-jährigen Schwarzen Michael Brown finden die Behörden in der amerikanischen Kleinstadt Ferguson kein Mittel gegen die öffentliche Protestwelle.

Trotz einer nächtlichen Ausgangssperre und eines offiziell verhängten Notstands in der 21.000 Einwohner zählenden Gemeinde nahe St.

Louis im Bundesstaat Missouri kam es am Wochenende erneut zu Plünderungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Dabei wurde mindestens eine Person durch Schüsse lebensgefährlich verletzt, die Umstände waren zunächst unklar.

Gegen ihr Versprechen, bei den zuvor von Menschenrechts-Organisationen wie Amnesty International als "militärisch" und "überzogen" bezeichneten Einsätzen abzurüsten, setzten die Ordnungshüter erneut Tränengas und Rauchbomben gegen die mehrheitlich afro-amerikanischen Demonstranten ein.

Die Wirkungslosigkeit der Behörden-Aktionen hatte sich bereits am Samstag abgezeichnet. Als der Gouverneur von Missouri, Jay Nixon, die Sondermaßnahmen erklären wollte und Ruhe zur ersten Bürgerpflicht erklärte ("Wir brauchen alle eine ordentliche Portion Schlaf"), wurde er während einer landesweit live im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz streckenweise niedergebrüllt.

"Wir brauchen keinen Schlaf, wir wollen Gerechtigkeit!", riefen Demonstranten. Ihre Standard-Forderung: Verhaftet Officer Wilson, bringt ihn wegen Mord vor Gericht - erst dann geben wir Ruhe.

Darren Wilson, ein 28-jähriger weißer Streifenpolizist, hatte den 18-jährigen Michael Brown am 9. August auf dem Canfield Drive mit mehr als sechs Schüssen getötet.

Wie es zu der Auseinandersetzung kam, ist weiter unklar. Die lokale Polizei sagt, Brown habe den Beamten tätlich angegriffen - also Notwehr.

Browns Wegbegleiter Dorian Johnson behauptet dagegen, der Polizist habe seinen Freund wegen einer Lappalie (Gehen auf der Straße statt auf dem Bürgersteig) erst schikaniert und dann "hingerichtet"; obwohl Brown unbewaffnet gewesen sei und sich während der Konfrontation mit erhobenen Händen ergeben habe.

Offenbar um diese Darstellung zu torpedieren, griff die lokale Polizei in Ferguson gegen den Rat von übergeordneten Stellen zu einem unerwarteten Mittel. Sie veröffentlichte ein Video. Es zeigt Brown unmittelbar vor seinem Tod dabei, wie er in einem Supermarkt eine Packung Zigarillos klaut und mit der schieren Präsenz seiner Gestalt (1,95 Meter, 130 Kilogramm) einen Mitarbeiter einschüchtert.

Allerdings verwickelte sich Polizeichef Thomas Jackson in Widersprüche. Erst deutete er an, dass Officer Wilson bereits von dem Diebstahl wusste, bevor er auf Brown traf. Später betonte er das genaue Gegenteil.

Aus Sicht der Bundespolizei FBI, die auf Geheiß von Präsident Obama und Justizminister Holder in Marsch gesetzt wurde, um mit 40 Ermittlern möglichst zügig den Tathergang zu klären, ein "überflüssiger Alleingang".

Das Justizministerium ordnete gestern eine zweite Obduktion der Leiche an. Der Schritt wurde mit den "außergewöhnlichen Umständen des Falles" und einem Ersuchen der Brown-Familie begründet.

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