Kriminalität Aufklärungsquoten bei Einbrüchen sollen geschönt sein

Düsseldorf · Ein Ex-Kripo-Kommissar berichtet über Bilanztricks bei Aufklärungsquoten. Für Innenminister Ralf Jäger (SPD) kommt die Enthüllung zur Unzeit.

„Wie komme ich denn hier raus“, fragt Frank Kawelovski, als er am Donnerstagmittag über die Flure des Düsseldorfer Landtags irrt. Er weiß zwar besser als die meisten Menschen, wie man in fremde Gebäude hineinkommt. Aber hinaus aus einem Parlament, in dem er gerade den Innenminister in neue Turbulenzen gestürzt hat?

Kawelovski hat sich 20 Jahre lang als Kriminalhauptkommissar in Essen mit Einbruchskriminalität beschäftigt. Nebenher studierte er an der Ruhr-Universität Bochum und bestand 2012 mit 51 Jahren als Jahrgangsbester die Masterprüfung in Kriminologie und Polizeiwissenschaft. Seine Abschlussarbeit über die „Bekämpfung des Wohnungseinbruchs“ brachte er im Eigenverlag als Buch heraus. Danach wurde ihm sein Spezialgebiet Einbrüche entzogen.

Kawelovski hatte damals einen Tabubruch begangen. Er analysierte die Bilanztricks der Kommissare, um die Aufklärungsquote nach oben zu treiben. Anhand von Akten der Staatsanwaltschaft wies er nach, dass in seiner Heimatstadt Mülheim 2009 bei jedem vierten angeblich geklärten Einbruchsfall die Tatverdächtigen frei erfunden waren.

Inzwischen ist er Wissenschaftler an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Gelsenkirchen und gefragter Experte. Am Donnerstag vernimmt ihn der Innenausschuss des Landtags zu den Aufklärungsquoten bei der Einbruchskriminalität. Kawelovski beschreibt, wie im Polizeialltag aus Mutmaßungen Fakten werden, aus Tatverdächtigen Täter, aus willkürlichen Zuschreibungen überführte Serientäter. Der Begriff der Tataufklärung werde zu einer „Verschönerung der Kriminalstatistik sehr weit interpretiert“, so sein Urteil.

Kawelovski berichtet vom reinen Hörensagen, das zu Tatverdächtigen und damit für die Polizei abgeschlossenen Fällen führe. Mehr als 80 Prozent der Einbruchsermittlungen würden von den Staatsanwaltschaften eingestellt, die Verteilungsquote vor Gericht dümpele bei zwei bis drei Prozent. „Jeder Achtjährige plappert etwas von osteuropäischen Banden“, ärgert sich Kawelovski, dabei würden oft einem rumänischen Tatverdächtigen für die Statistik 20 weitere ungeklärte Fälle ohne nennenswerten Beweis zugerechnet.

Dem Wissenschaftler ist wichtig, „dass in NRW keine schlechte Polizeiarbeit bei der Einbruchskriminalität geleistet wird“. Doch der „Druck von oben“ führe bei den Kommissaren zu statistischen „Verzweiflungstaten“. Kein Polizeipräsidium wolle bei den Aufklärungsquoten hinten stehen.

Für Innenminister Ralf Jäger (SPD) kommt die Diskussion über die Bilanztricks zur Unzeit. Gerade erst hat er landesweit auf eine monatliche Veröffentlichung der Kriminalitätsstatistik umstellen lassen. Alle Kreispolizeibehörden müssen auch die Wohnungseinbrüche mit Aufklärungsquote ins Netz stellen, damit die Bürger sie jederzeit abrufen können.

Sieben Monate vor der Landtagswahl soll die Botschaft ins Land getragen werden, dass sich die Einbruchsstatistik nach dem schwarzen Jahr 2015 wieder etwas aufhelle. „Die Daten werden bei uns nach gleichen Grundsätzen erhoben wie in allen anderen Bundesländern“, erklärt Jäger. Man werde statistischen Unregelmäßigkeiten nachgehen, „wenn sie uns vorgelegt werden“.

Die Opposition bringt sich umgehend gegen den ohnehin seit Monaten angeschlagenen Landesinnenminister in Stellung: „Dass es offenbar empfundenen Druck vom Ministerium auf die Dienststellen gibt, Aufklärungszahlen zu schönen, ist unverantwortlich und bedarf der Aufarbeitung“, forderte denn auch FDP-Innenexperte Joachim Stamp.

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