Kommentar zur weltweiten Lage der Menschenrechte Auf der Kippe

Meinung | Berlin · Der jüngste Jahresreport von Amnesty International listet auf, dass auch 2016 für Millionen Menschen ein schlechtes Jahr war, weil Regierungen Menschenrechte missachtet, Freiheit eingeschränkt und autoritäre Regime das Mittel der Folter eingesetzt haben.

 Die Menschenrechte sind in Syrien sinnbildlich so zertrümmert wie weite Teile Aleppos.

Die Menschenrechte sind in Syrien sinnbildlich so zertrümmert wie weite Teile Aleppos.

Foto: picture alliance / Hassan Ammar/

Die Menschenrechte sind unveräußerlich. Wenn es tatsächlich so wäre, wie in Artikel eins des Grundgesetzes festgeschrieben, die Welt da draußen wäre eine gute. Doch die Wirklichkeit ist in sehr vielen Staaten auf diesem Globus ist anders – grausamer, finsterer, unmenschlicher, unsicherer. Der jüngste Jahresreport von Amnesty International listet auf, dass auch 2016 für Millionen Menschen ein schlechtes Jahr war, weil Regierungen Menschenrechte missachtet, Freiheit eingeschränkt und autoritäre Regime das Mittel der Folter eingesetzt haben.

„Folter funktioniert“, hatte US-Präsident Donald Trump zum Schrecken vieler Demokraten in und außerhalb Amerikas gewissermaßen einen moralischen Freibrief für den Einsatz harter Methoden im Anti-Terror-Kampf ausgestellt. Auch aus diesem Grund nennt Amnesty neben vielen Konflikten die Wahl von Trump zum US-Präsidenten als „das möglicherweise größte der vielen politischen Erdbeben“ im vergangenen Jahr. Trumps polarisierender, teilweise hetzerischer Wahlkampf laufe einem Ziel zuwider: der Wahrung der Menschrechte. Trumps Einreisebann für Menschen aus bestimmten muslimischen Ländern ist nur ein Beispiel.

In manchen Staaten erlebten große Teile der Bevölkerung auch im vergangenen Jahr dunkelstes Mittelalter. In Syrien, wo das Sterben in Aleppo unheilvoll für die Macht des Bösen steht, oder im Jemen gingen Militär und Rebellen grausamst gegen die Zivilbevölkerung vor. Die Menschenrechte sind sinnbildlich so zertrümmert wie weite Teile Aleppos. Kein Frieden, keine Freiheit, keine Sicherheit, nur der Terror des Krieges. In Bahrain, aber auch beim Nato-Partner Türkei werden Oppositionelle unterdrückt und weggesperrt. Und nach Afghanistan, das von mehr als 30 Jahren Krieg und Bürgerkrieg schwer gezeichnet ist, schiebt auch Deutschland wieder Flüchtlinge ab, weil bestimmte Regionen des Landes angeblich sicher seien. Ein Staat, in dem sich sichere und unsichere Regionen abwechseln, ist in der Summe mindestens instabil.

Deutschland bekommt von Amnesty ein Lob für die Unterbringung Hunderttausender Flüchtlinge, deren Neueinreisen ins Land von 890 000 (2015) deutlich auf 280 000 im vergangenen Jahr gesunken waren. Die Schattenseite: Die hohe Zahl rassistischer Angriffe auf Flüchtlingsheime – vor allem im Osten. Im Wahlkampf werden die Regierungsparteien besonders viele Nägel mit Köpfen machen, weil die zunächst offene Flüchtlingspolitik starker Skepsis und diffusen Ängsten in der Bevölkerungen gewichen ist. Einige EU-Staaten, auch Deutschland, reagierten mit schärferen Anti-Terror-Gesetzen auf Anschläge und Terrorgefahr. Armut und Elend werden den Marsch von Menschen aus dem armen Süden in den reichen Norden der Erdkugel anheizen. Wenigstens sollten die Menschenrechte dabei nicht auf der Strecke bleiben.

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