Kommentar zur doppelten Staatsbürgerschaft Auf dem Prüfstand

Meinung | Berlin · Vermutlich hätten wir keine Debatte um den Doppelpass, wenn die Türkei sich an die Regeln und Werte in der EU schneller angepasst und Mitglied der EU geworden wäre. Aber sie geht unter Präsident Erdogan in die entgegengesetzte Richtung.

 Alte Debatte, neu entflammt: Die doppelte Staatsbürgerschaft.

Alte Debatte, neu entflammt: Die doppelte Staatsbürgerschaft.

Foto: picture alliance / dpa

Mit dem Doppelpass verhält es sich manchmal nicht so eindeutig. Die Bundesregierung freut sich, dass in Person von Achim Steiner wieder ein Deutscher als Chef der Entwicklungsbehörde einen der ranghöchsten Posten der Vereinten Nationen bekleidet. Genau so groß könnte die Freude bei der brasilianischen Regierung sein. Denn Steiner ist auch Brasilianer. Er ist als Sohn deutscher Migranten in Brasilien geboren und hat deshalb sowohl einen brasilianischen als auch einen deutschen Pass.

Zwei Pässe akzeptiert das deutsche Recht auch bei hier geborenen Kindern türkischer Einwanderer. Vermutlich hätten wir keine Debatte, wenn die Türkei sich an die Regeln und Werte in der EU schneller angepasst und Mitglied der EU geworden wäre. Aber sie geht unter Präsident Erdogan in die entgegengesetzte Richtung. Und das macht den deutsch-türkischen Doppelpass zum Problem. Denn damit mehren sich die Zweifel an der Möglichkeit, sich mit zwei so grundverschiedenen Systemen gleichzeitig identifizieren zu können.

Die mehrheitliche Zustimmung der Türken in Deutschland zur problematischen Erdogan-Verfassung verstärkt die Erkenntnis, dass die Integration mit all ihren Vorleistungen und Zurückhaltungen Deutschlands gegenüber den zu Integrierenden nicht zum Ziel geführt hat. Deshalb gehört der Doppelpass auf den Prüfstand. Tatsächlich sollte die aktuelle, spätestens die kommende Nachfolgegeneration genügend Erfahrungen gesammelt haben, um sich entscheiden zu können, wer wessen Staatsbürger sein und bleiben will.

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