Interview mit Staatssekretär Ulrich Kelber "Auf Augenhöhe mit den Konzernen"

BONN · Verbraucher- und Mieterschutz, Handelsabkommen und der Fall Edathy - das ist eine Auswahl der Themen im Interview mit dem Bonner Bundestagsabgeordneten Ulrich Kelber

 Die neue Bundesregierung will notfalls Straftatbestände im Mietrecht schaffen. Staatssekretär Ulrich Kelber in der GA-Redaktion.

Die neue Bundesregierung will notfalls Straftatbestände im Mietrecht schaffen. Staatssekretär Ulrich Kelber in der GA-Redaktion.

Foto: Barbara Frommann

Wie fühlt man sich, wenn man von eben auf gleich Staatssekretär im Justizministerium wird?
Ulrich Kelber: Auch nicht anders als vorher. Ich bin ja kein Jurist, von daher war ich überrascht. Ich war aber froh, dass man meinem Vorschlag, den Verbraucherschutz dem Justizministerium zuzuordnen, gefolgt ist. Und da bin ich vielleicht die richtige Wahl, weil ich in der Fraktion schon acht Jahre die Zuständigkeit für Verbraucherpolitik hatte.

So wie im wirklichen Leben: Man schlägt etwas vor und muss es dann auch machen...
Kelber: In dem Fall darf man es machen. Ich war überrascht, weil die Union das Landwirtschaftsministerium, wo der Verbraucherschutz bisher lag, unverändert lassen wollte. Aber die letzten Nächte von Koalitionsverhandlungen bringen immer überraschende Ergebnisse.

Wenn Sie vorausblicken, was wird Ihr größter Erfolg werden?
Kelber: Prognosen sind immer schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen, wie Karl Valentin gesagt hat. Wenn wir in vier Jahren bei den Mieten etwas geschafft haben, was Mieter vor Überforderung schützt und gleichzeitig Investitionen ermöglicht und wenn ganz generell die Verbraucher wieder auf Augenhöhe mit großen Konzernen sind, dann hätten wir etwas bewegt.

Sie wollen Maklern vorschreiben, woher sie ihr Geld bekommen. Warum kann das Thema denn nicht der Markt in Deutschland regeln?
Kelber: Weil der Markt nicht funktioniert hat. In jedem anderen Bereich des Marktes in Deutschland, zahlt der, der eine Leistung bestellt. Nur bei den Maklern ist das bisher anders. Und die hohen Mieten führten dazu, dass es für wenig Leistung sehr hohe Courtage-Zahlungen gab. Hier mussten wir eingreifen.

Stärkt das nicht das Vorurteil: Immer wenn ein Sozialdemokrat eingreift, wird geregelt und gegängelt....
Kelber: So viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig. So heißt es im Godesberger Programm von 1959. Bei den Maklern zeigt sich: Es ist mehr Staat nötig. Die Wohnungsversorgung in Deutschland ist nach dem Krieg übrigens staatlich reguliert worden. Erst in den 70er Jahren wurde hier der Markt freigegeben. Der Verkauf großer öffentlicher Wohnungsbestände danach war sicher ein Fehler. Die Senkung der Wohnungsbauförderung auch. Wer Angst hat, seine Wohnung nicht mehr bezahlen zu können, hat Existenzangst. Das kann den Staat nicht kalt lassen.

Wollen wir wetten, dass die Mietpreisbremse in Ballungsgebieten umgangen wird?
Kelber: Ich geh erst mal davon aus, dass Menschen sich an Recht und Gesetz halten. Wenn es bei der Mietpreisbremse oder beim Besteller-Prinzip für die Makler Versuche gibt, das zu umgehen, müssen wir die Tatbestände strafbar machen.

Wie kommen die Verbraucher durch Ihre Politik wieder auf Augenhöhe?
Kelber: Dass das Thema jetzt beim Justizministerium ist, ist ein erster Schritt, weil das Justizministerium auch Rechtssetzung macht, nicht nur appellieren kann wie frühere Ministerien. Wir wollen darüber hinaus die Zivilgesellschaft stärken, weil der einzelne zu wenig bewirken kann. Deshalb schaffen wir die Marktwächter. Das sind spezialisierte Verbraucherzentralen, zunächst im Finanzmarkt und im digitalen Markt, die das Geschehen beobachten und gegen schlechte Anbieter auch juristisch vorgehen.

Beim geplanten Handelsabkommen zwischen der EU und den USA gibt es weder Transparenz noch Augenhöhe.
Kelber: Die Bundesregierung erwartet in der Tat eine ganz andere Transparenz auch von der EU-Kommission. Die Mitgliedstaaten und die Öffentlichkeit müssen auch die Zwischenstände der Verhandlungen bewerten können.

Und inhaltlich ...
Kelber: ...beobachten wir zwei Dinge. Wir wollen keine Verschlechterung von Verbraucherschutzregeln haben, und die Idee von Investorenschutzabkommen sehen wir sehr kritisch.

Zurück zum Finanzmarkt. Wie wollen Sie Verbraucher da besser schützen?
Kelber: Es ist erst mal gut, dass das Finanzministerium mit uns eine gemeinsame Arbeitsgruppe für all diese Themen bildet. Da haben wir jetzt eine andere Durchschlagskraft als Frau Aigner im Landwirtschaftsministerium. Wir werden den Schutz der Anleger stärken müssen. Auch durch zusätzliche Aufgaben für die Finanzdienstleistungsaufsicht hier in Bonn. Sie muss auch riskante Produkte verbieten können. Und die großen Folgen der Krisen dürfen nicht über die Steuer bei den Verbrauchern landen.

Verbraucher scheitern häufig, wenn sie Datenschutzverstöße beklagen ...
Kleber: Auch da gehen wir ran. Wir werden Verbraucherschutzorganisationen das Recht geben, hier zu klagen. Da sind ihnen bisher die Hände gebunden.

Datenschutz und Europa?
Kelber: Ein Riesenthema. Wir wollen dahin kommen, dass jeder der in Europa Leistungen anbietet, dass nach europäischen Rgeln tun muss. Das wird dann auch für Amazon Google Facebook oder Apple gelten.

Datenschutz und Vorratsdatenspeicherung?
Kelber: Ich bin ein erklärter Gegner der Vorratsdatenspeicherung. Wenn es dabei bleibt, dass die EU eine Vorratsdatenregelung will, wird es einen Entwurf aus dem Justizministerium geben, der aber den Datenschutz, die Privatsphäre und die Sicherheit der gespeicherten Daten so groß schreiben wird, wie es nur eben möglich ist.

Motto?
Kelber: Möglichst wenig Daten speichern, möglichst kurz speichern, und so speichern, dass sie nicht zugänglich sind.

Sehen Sie für das ganze Thema nach dem NSA-Skandal überhaupt noch Chancen?
Kelber: Das Misstrauen durch das Vorgehen der Amerikaner aber auch der Briten ist natürlich gewachsen. Aber mich irritiert, dass die Bürger diesen Komplex immer noch hintanstellen, wenn nach wichtigen politischen Themen gefragt wird.

Zum Opferschutz. Was fällt Ihnen als Konsequenz aus dem Fall Edathy ein?
Kelber: Wir müssen im Strafrecht Lücken schließen. Schon der Handel mit solchem Bildmaterial muss strafbar werden.

Zur Person

Ulrich Wolfgang Kelber, 1968 in Bamberg geboren, wuchs in Bonn auf und machte am Ernst-Kalkuhl-Gymnasium in Oberkassel Abitur. Danach studierte Kelber Informatik und Biologie. Mit 17 trat er in die SPD ein, deren Bonner Vorsitzender er von 2001 bis 2008 war. Danach gehörte er drei Jahre dem Bundesvorstand an. Kelber rückte am 1. September 2000 für Rudolf Dreßler in den Bundestag nach. Seit November 2005 war er stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Seit Dezember 2013 ist er Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.

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