Kommentar zu Facebook Außer Kontrolle

Meinung | Bonn · Es kann nicht sein, dass ein privater Konzern mit monopolistischen Zügen darüber befindet, dass ein blanker Busen gelöscht wird, eine brutale Hinrichtungsszene jedoch nicht. Konsequenz kann daher nur sein, Facebook unter demokratische Kontrolle zu bringen, kommentiert GA-Chefredakteur Helge Matthiesen.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.

Foto: afp

Ist Facebook noch zu retten? An den Börsen gibt es da offenkundig Zweifel. Dort mutmaßen Händler, Facebook könnte zerschlagen, vielleicht auch nur stärker reglementiert werden. Beides ist möglich – und Schuld daran ist Facebook selbst. Die Sicherheitsinteressen von Staaten sind bedroht und der gesellschaftliche Friede. Es wäre verwunderlich, wenn das ohne Reaktion aus der Politik bliebe.

Bei Facebook stellen die Nutzer freiwillig und zum Teil mit Begeisterung intimste Informationen zur Verfügung, die der Konzern nur noch richtig interpretieren muss, um Werbebotschaften geschickt zu platzieren. Das soziale Netzwerk hat quasi ein weltweites Monopol aufgebaut, dem sich rund zwei Milliarden Menschen freiwillig unterwerfen. Facebook greift dabei unkontrollierbar auf alles zu, was sich sonst noch so auf dem Smartphone oder PC tut – auch und besonders außerhalb der Facebook-Welt, zu der auch Instagram und WhatsApp gehören. Auch wer nicht bei Facebook ist, gerät so in eine gigantische Datenerfassung. Die Stasi der DDR war im Vergleich damit eine Amateurtruppe mit beschränkten Möglichkeiten.

Facebook weiß von vielen Menschen alles, bis in intimste Bereiche von Krankheit, Familie, sexueller Orientierung und Verführbarkeiten. Diese Möglichkeiten einer gesellschaftlichen Gesamtvermessung weckt die Manipulatoren in Politik oder aggressiven Nachbarländern. Die Russen haben gezeigt, wie sie die USA mit den Möglichkeiten dieses Datenschatzes in Schwierigkeiten bringen können. Noch perfider aber ging die Firma Cambridge Analytica vor, indem sie politisch-psychologische Befindlichkeiten vermaß und daraus eine Kampagne für Donald Trump konstruierte.

Facebook selbst macht bei all diesen Vorgängen eine jämmerliche Figur. Der Konzern lamentiert über Missbrauch, tat aber offenbar nichts, die Datenlecks zu schließen. Facebook hat offenkundig die Kontrolle über sein eigenes Imperium verloren. Bisher störte nur die Ignoranz, mit der Facebook den Folgen eigenen Handelns für einzelne Menschen begegnete. Jetzt geht es um große politische und gesellschaftliche Interessen.

Keine freie Gesellschaft kann diese Bedrohung einfach ignorieren. Facebook verwaltet ein sensibles Gut, die Kommunikation kompletter Gesellschaften. Die muss in jedem Fall frei bleiben. Wenn Facebook selbst es aber nicht schafft, die Grenze zwischen Missbrauch und Freiheit verlässlich zu ziehen, ist der Staat gefordert. Es kann auch nicht sein, dass ein privater Konzern mit monopolistischen Zügen darüber befindet, dass ein blanker Busen gelöscht wird, eine brutale Hinrichtungsszene jedoch nicht. Konsequenz kann daher nur sein, Facebook unter demokratische Kontrolle zu bringen. Noch hat der Konzern die Chance, diesen Prozess selbst zu gestalten. Es bleibt ihm aber nicht mehr viel Zeit, sich seiner Verantwortung zu stellen.

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