Attentat oder Farce? Bulgarien streitet über Angriff auf Türkenchef

Sofia · Entsetzen in Bulgarien: Auf einem Parteikongress hat ein Attentäter versucht, aus unmittelbarer Nähe auf den Vorsitzenden der liberalen Türkenpartei, Ahmed Dogan, zu schießen.

 Blanke Wut: Parteifreunde von Ahmed Dogan, dem Chef der bulgarischen Partei MRF, treten auf einen Mann ein, der wenige Sekunden vorher versucht hatte, den Politiker zu erschießen. Foto: Julian Savchev

Blanke Wut: Parteifreunde von Ahmed Dogan, dem Chef der bulgarischen Partei MRF, treten auf einen Mann ein, der wenige Sekunden vorher versucht hatte, den Politiker zu erschießen. Foto: Julian Savchev

Foto: DPA

Der Angreifer trat an Dogan heran, als dieser eine Rede vor einem Kongress seiner Partei DPS hielt. Dogan wurde bei dem Vorfall am Samstag nicht verletzt, weil die Gaspistole versagte, sagte der Staatsanwalt von Sofia, Nikolaj Kokinow, am Sonntag nach ersten Ermittlungen.

Gegen den 25 Jahre alten Täter soll nun Anklage wegen Morddrohung und Hooliganismus erhoben werden. Doch das stellt die Türkenpartei nicht zufrieden. Sie fordert eine internationale Ermittlung, sagte der neue Parteichef Lütvi Mestan. Er löste auf dem Parteitag wie geplant Dogan auf dessen Vorschlag nach 23 Jahren an der DPS-Spitze ab.

Dogans oppositionelle Bewegung für Rechte und Freiheiten DPS sprach am Sonntag von einem "präzedenzlosen politischen Attentat". Sie beschuldigte die bürgerliche Regierung, für die angebliche ethnische Spannung zwischen der slawischen Mehrheit und der türkischen Minderheit verantwortlich zu sein. "Die Demokratie in Bulgarien ist gefährdet", fasste Sozialisten-Chef Sergej Stanischew zusammen.

Regierungschef Boiko Borissow wies alle Vorwürfe zurück: "Ich kann nicht einverstanden sein, dass man über ethnische Spannung spricht, wenn der Angreifer ein bulgarischer Muslim ist." Zudem könne die Polizei bei einem Parteiforum nicht im Saal stehen. Kritiker von DPS bezeichneten den Vorfall als "Farce".

Der 25-jährige Student wollte Dogan nach Polizeiangaben nur einschüchtern. Er hatte vor, dem Türkenchef zu zeigen, dass dieser nicht unantastbar sei, erklärte die Polizei aufgrund eines Abschiedsbriefs an seine Mutter. Der Attentäter hatte gefürchtet, dass er bei seiner Aktion am Samstag umgebracht werden könnte.

Die von Dogan im Jahr 1990 gegründete Bewegung der türkischen Minderheit DPS ist im nationalen und im EU-Parlament vertreten. Die DPS war bis Mitte 2009 an einer sozialliberalen Koalitionsregierung in Sofia beteiligt. Dogan galt als einer der einflussreichsten Politiker des Balkanlandes. Die ethnischen Türken besiedeln Gebiete im Nord- und Südosten Bulgariens.

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