Kommentar zum Brand von Notre-Dame Ans Werk

Meinung | Berlin · Es ist beeindruckend, wie über nationale Grenzen hinweg, sich die Bevölkerung mit dem Brand von Notre-Dame beschäftigt. Ein Kommentar von Gregor Mayntz.

Die Unterstützung nach dem Brand von Notre-Dame ist beeindruckend. Am Tag nach der Betroffenheit heißt es also: ans Werk – mit Wiederaufbau und Vorbeugung, kommentiert GA-Korrespondent Gregor Mayntz.

Wenn Millionen Menschen auf der ganzen Welt fassungslos auf Fernsehbilder starren, wenn die Menschen sich an der Seine in Paris versammeln, um mit Tränen in den Augen Kirchenlieder anzustimmen, wenn tags drauf eine Welle der Hilfsbereitschaft in ganz Europa ausbricht, dann ist klar, dass hier etwas geschehen ist, das aus dem Alltag weit herausragt. Ausgerechnet die in Flammen stehende Kathedrale Notre-Dame hat den Europäern vor Augen geführt, dass da doch noch Identifikationspunkte sind, die das gemeinsame kulturelle Erbe des christlichen Abendlandes über alle politischen Scharmützel hinweg belegen.

Es spricht für sich, dass Heißsporne das Entsetzen über das Unglück sowohl in der muslimischen wie in der rechtspopulistischen Welt für Zuspitzungen in einem von ihnen empfunden Kulturkampf benutzen. Und es ist für den Augenblick beruhigend, wie wenig Nachhall ihre kruden Äußerungen bei der großen Mehrheit der Europäer finden. Es ist Anlass für Optimismus, dass im Augenblick des Schmerzes über den drohenden Verlust eines beispiellosen Kulturgutes die Welle der Solidarität und Unterstützung ebenso beispiellos ist.

Kopf zwingt zu durchdachten Konsequenzen

Es ist beeindruckend, wie sich die Bevölkerung über alle nationalen Grenzen hinweg buchstäblich hinter Notre-Dame versammelt und sofort an den Wiederaufbau gehen will. So wie es mit anderen, im Krieg zerstörten Bauwerken wie der Dresdner Frauenkirche, mit jahrzehntelanger Verspätung, auch gelang.

Jenseits der Gefühle zwingt der Kopf zu durchdachten Konsequenzen. Wer hätte mitten in einer der zivilisiertesten und in moderner Katastrophenbekämpfung erfahrenen Metropole solche Bilder vom Flammeninferno im Weltkulturerbe erwartet? Daraus folgt: Was in Paris passieren kann, kann sich überall wiederholen. Deshalb sollten alle, die für unwiederbringliche Kulturgüter Verantwortung tragen, baldmöglichst eine kritische Bestandsaufnahme starten: Ist der Brandschutz wirklich in Ordnung? Was machen wir, wenn es uns trifft? Wie bringen wir neben den Menschen aus der Nachbarschaft auch die Kostbarkeiten aus dem Innern in Sicherheit? Das Schicksal von Notre-Dame führt nicht nur theoretisch die Bedrohung der Kulturnation Deutschland vor Augen. Schließlich waren beim Brand der Weimarer Anna-Amalia-Bibliothek und beim Einsturz des Kölner Stadtarchives auch einzigartige Dokumente betroffen.

Am Tag nach der Betroffenheit heißt es also: ans Werk – mit Wiederaufbau und Vorbeugung.

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