Abschiebung Ankunft im Ungewissen

Bangkok · Insgesamt 34 Männer, die seit drei bis sieben Jahren in Nordrhein-Westfalen, Hessen und anderen Bundesländern lebten und deren Asylanträge abgelehnt worden waren, waren am Mittwoch in Frankfurt zur Abschiebung in eine Chartermaschine gezwungen worden. Am Donnerstag sind sie in der afghanischen Hauptstadt Kabul gelandet.

 Gelandet in Kabul: Zwei der 34 zurückgeführten afghanischen Flüchtlinge vor dem Flughafen.

Gelandet in Kabul: Zwei der 34 zurückgeführten afghanischen Flüchtlinge vor dem Flughafen.

Foto: AP

„Herzlich willkommen in der Heimat“ war alles, was dem Kommandeur am internationalen Flughafen in der afghanischen Hauptstadt Kabul am Donnerstagmorgen einfiel, als er plötzlich den unerwarteten Landsleuten gegenüberstand. Aber den 34 Afghanen, die an dem frühen grauen Morgen von deutschen Polizisten mit entschiedener Bestimmtheit aus der gerade aus Frankfurt gelandeten Chartermaschine in die ungemütliche Kälte hinauskomplimentiert worden waren, stand der Sinn nicht nach einer Willkommenszeremonie.

„Ich bin so wütend“, erklärte der 24-jährige Matiullah Azizi, der die vergangenen Jahre in Frankfurt vergeblich um seine Anerkennung als politischer Flüchtling gekämpft hatte. „Gestern war ich noch in Deutschland, jetzt stehe ich plötzlich hier am Flughafen von Kabul, und meine Familie weiß nicht einmal, dass ich wieder da bin.“ Insgesamt 34 Männer, die seit drei bis sieben Jahren in Nordrhein-Westfalen, Hessen und anderen Bundesländern lebten und deren Asylanträge abgelehnt worden waren, waren am Mittwoch in Frankfurt zur Abschiebung in eine Chartermaschine gezwungen worden.

Der deutsche Staat scheute offenbar keine Kosten für die erste Zwangsabschiebung großen Stils nach Afghanistan. Rund 100 Polizisten befanden sich mit den unfreiwilligen Heimkehrern an Bord der Maschine. „Wir wurden wie Gefangene behandelt. Für jeden von uns waren zwei bis drei Polizisten abgestellt“, erzählte einer der Rückkehrer, der seinen Namen nicht nennen wollte. „Selbst wenn wir zur Toilette wollten, gingen sie mit uns.“

Keiner der Zwangsabgeschobenen gehört zu den Flüchtlingen, die im vergangenen Jahr in Deutschland eintrafen. Die Afghanen lebten teilweise schon Jahre in Deutschland und sprechen wie der 24-jährige Matiullah Azizi hervorragend Deutsch. „Ich liebe meine Heimat, ich liebe Afghanistan“, sagte der junge Afghane, der aus Kabul stammt, „aber ich habe keine Ahnung, wie es nun weitergehen soll. Hier gibt es keine Arbeit, und die Lage ist heute noch gefährlicher für uns als damals, als ich nach Deutschland geflohen bin.“

Die Afghanen kommen inmitten einer humanitären Katastrophe in ihrer Heimat an. Hunderttausende, die teils seit Jahrzehnten in Pakistan Zuflucht vor den Kriegen am Hindukusch gesucht hatten, wurden während der vergangenen Wochen gezwungen, nach Afghanistan zurückzugehen. Außerdem verursachte der heftig aufgeflammte Krieg im Land gegen die radikalislamischen Talibanmilizen 2016 eine neue Welle von Binnenflüchtlingen. Ihre Zahl wird gegenwärtig auf etwa 600 000 geschätzt – 30 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. In allen Teilen des Landes gibt es inzwischen schwere bewaffnete Zusammenstöße.

Am Flughafen wurden den Abgeschobenen als Starthilfe erst einmal 200 Afghani überreicht – etwas mehr als drei Euro. Für einen Mann, der ursprünglich aus Mazar-i-Scharif stammt – jener Stadt, in der radikale Talibanmilizen vor einigen Wochen mit einer gewaltigen Bombe das deutsche Generalkonsulat in Trümmer legten –, genügte das erste Almosen nicht einmal für den Weg in die Heimat. Allerdings wird sich die Internationale Organisation für Migration (IOM) in den kommenden Tagen um die unfreiwilligen Heimkehrer kümmern.

Die Zwangsabschiebung ist möglich geworden, weil die Bundesregierung Kabul im Herbst zu einem Deal gezwungen hatte. Weitere Entwicklungshilfe, so hatte Berlin deutlich gemacht, werde es für das nahezu bankrotte Afghanistan nur geben, wenn Kabul abgelehnte Asylbewerber zurücknehme. Zumindest bei den ersten 34 Afghanen, die sich am Donnerstagmorgen im unwirtlichen Dezemberwetter Kabuls wiederfanden, handelte es sich um Männer, deren Rückkehr für Afghanistan akzeptabel war. „Wir nehmen nur Afghanen zurück, die alle legalen Möglichkeiten in Deutschland ausgeschöpft haben“, hatte im Frühjahr Flüchtlingsminister Sayed Hussain Alemi Balkhi gegenüber dieser Zeitung erklärt.

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