John Kerry Amerikanischer Außenminister gerät unter Beschuss

WASHINGTON · Wenn Reisepläne Auskunft über den Seelenzustand von Diplomaten geben, dann muss John Kerry nach Entspannung gewesen sein. Amerikas Außenminister traf in Neu Dehli Narendra Modi.

 Es hat schon hellere Tage gegeben im politischen Leben von Außenminister John Kerry.

Es hat schon hellere Tage gegeben im politischen Leben von Außenminister John Kerry.

Foto: dpa

Es galt den Besuch des neuen indischen Premierministers im September in Washington bei Präsident Obama vorzubereiten, wirtschaftliche Zusammenarbeit zu promoten und die indisch-amerikanische Freundschaft zu preisen. Routine ohne Risiko. Kein Vergleich zu dem politischen Dschungel im Nahen Osten, den Kerry Anfang der Woche mit schweren Blessuren verließ. Der dreitägige Waffenstillstand, der jetzt vereinbart wurde, ändert daran wenig.

Weil Israelis wie Palästinenser gleichermaßen über den als Streitschlichter in der Gaza-Krise bisher wenig erfolgreich aufgetretenen Obama-Vertrauten entsetzt waren, ist ein sich seit langem andeutendes Phänomen weltöffentlich geworden: Amerikas Einfluss auf die Geschicke im Nahen Osten reicht inzwischen nicht einmal mehr aus, um ein anhaltendes Schweigen von Granaten und Raketen zu erwirken. Uncle Sam redet, die anderen schießen weiter.

Vor allem aus Israel kommt dafür jede Menge Spott, manchmal bis an die Grenze der Verachtung. "Wie ein Blinder, der nach einer Leiter greift, um vom Dach zu steigen, stattdessen aber in den Schornstein fällt", habe sich Kerry in der Gaza-Krise benommen schrieb Ron Breiman in "Israel Hayom".

Indem der Amerikaner Israelis und Hamas, was die Berechtigung ihrer Positionen angeht, hemdsärmelig gleichgestellt habe, sei ein Tabu gebrochen worden. Ebenfalls schädlich sei es gewesen, den Traditionsvermittler Ägypten und die moderaten Palästinenser um Mahmud Abbas außen vor zu lassen, und stattdessen die Hamas-Freunde und Förderer Türkei und Katar bei der Moderation des Konflikts diplomatisch aufzuwerten. In den USA kübelt seither das konservative, Israel-freundliche Kommentariat heftig gegen den ehemaligen Vietnam-Kämpfer. Charles Krauthammer, einflussreicher Kolumnist, schimpfte Kerry unverblümt einen "Anwalt für die Hamas". Seine Kollegin Jennifer Rubin forderte gar, Kerry müsse nach der Pleite-Expedition in den Nahen Osten zurücktreten.

Nach außen gibt sich der Gatte der Ketchup-Erbin Theresa Heinz stoisch. Aus seinem inneren Kreis ist dagegen zu hören, dass ihn die Wutwelle schwer getroffen hat. Mehrfach soll Kerry auf sein zu 100 Prozent Israel-freundliches Abstimmungsverhalten während seiner über 20-jährigen Amtszeit als Senator hingewiesen haben. Und darauf, dass es in Washington "keinen verlässlicheren Israel-Versteher" gebe als ihn.

Eine Selbsteinschätzung, die Widerspruch provoziert. Kerrys ursprüngliche Vorschläge für einen Waffenstillstand gleichten dem Werk eines "Außerirdischen, der mit seinem Raumschiff gerade im Nahen Osten gelandet ist", schrieb ein israelischer Journalist. Eine Breitseite, auf die das State Departement in Washington verschnupft reagierte. "Das ist einfach nicht die Art, wie Partner und Verbündete miteinander umgehen", sagte die Sprecherin des Außenamtes, Jen Psaki. Heißt das, der Chef ist fehlerfrei?

Kerry haftet etwas Rastloses an, seit er 2013 Hillary Clinton beerben durfte. Wo immer es kracht und kriselt, vom Sudan über die Ukraine und Syrien bis in den Iran und nach Afghanistan: Der hoch aufgeschossene Präsidentschaftsanwärter des Jahres 2004 wirft sich stets mit dem "Enthusiasmus einer Golden Retrievers" (Washington Post) in die Schlacht. Nicht selten entsteht dabei der Endruck, dass der Außenminister zu ungeduldig ist und Friedensschlüsse erzwingen möchte, während die Streitparteien noch ineinander verkeilt sind. Wer so agiert, kriegt böse Spritzer ab, wenn es schiefgeht. Und sieht man von der Vereinbarung über die Verklappung syrischer Chemiewaffen und der Beilegung des Wahlzettel-Disputs in Afghanistan ab, ist so einiges daneben gegangen, wenn John Kerry die Finger im Spiel hatte.

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