Gescheiterte Re-Integration Als NRW eine "neue Flüchtlingspolitik" in Mazedonien misslang

DÜSSELDORF/SKOPJE · Die "Armutszuwanderung" Tausender Roma aus Rumänien und Bulgarien bestimmt aktuell die Schlagzeilen. Fast 70.000 Rumänen und Bulgaren hat es nach NRW gezogen, 2014 rechnen Experten nach Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit mit 20.000 bis 30.000 neuen Zuwanderern - vor allem Roma.

 Alltag in Mazedonien: Lager einer Roma-Familie nahe einer Herzklinik in der Hauptstadt Skopje.

Alltag in Mazedonien: Lager einer Roma-Familie nahe einer Herzklinik in der Hauptstadt Skopje.

Foto: dpa

Städte wie Duisburg und Dortmund sehen sich finanziell überfordert und verlangen Hilfen der Politik. Schon 1991 sorgten 1400 Roma mit einem "Bettelmarsch" durch NRW für bundesweites Aufsehen. Damals scheiterte NRW-Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) mit der millionenteuren "neuen Flüchtlingspolitik".

Wochenlang hatten vor mehr als zwei Jahrzehnten bis zu 500 Roma aus Mazedonien in einem Zeltlager unter der Rheinbrücke direkt vor der Staatskanzlei campiert, um trotz abgelehnter Asylanträge eine Duldung zu erzwingen. Zur Entschärfung der explosiven Lage beschloss die Regierung Rau, 2000 Roma aus Mazedonien mit viel Geld, guten Worten und wohnlichen Holzhäusern zur Ausreise zu bewegen.

Rückkehrwillige sollten Doppelhäuser in der Nähe der makedonischen Hauptstadt Skopje erhalten - wer das Angebot ausschlug, dem drohte die Abschiebung. 13 Millionen Mark stellte die Regierung für die modellhafte Hilfe in der Heimat der Roma bereit.

1991 flog der damalige Chef der Staatskanzlei, Wolfgang Clement, mit Helfern der Caritas in die mit 50.000 Menschen wohl weltweit größte Roma-Siedlung Shutka. Schlamm, primitive Wellblechhütten, Elend - mitten im Meer der Trostlosigkeit eine Insel der Hoffnung: 15 Häuser und 40 Container, ein Kindergarten, eine Schule. Neidisch reagierten die Nachbarn auf den "Luxus" der Rückkehrer.

114 Häuser wurden in den nächsten Monaten für 600 Rückkehrer gebaut. Clement lobte sein neues Re-Integrationsprogramm. Die Häuser verfügten über Telefonanschluss, jeweils 52 Quadratmeter Wohnfläche mit Kinderzimmer, Schlafzimmer, Küche und Bad. Dazu ein Fernseher, Ofen, Sitzgruppe. Alles da. Nur keine Arbeit.

Später musste Clement eine "ungute Entwicklung" des Projekts eingestehen. Obwohl die Rückkehrer schriftlich versichert hatten, dass "sie nicht wieder zum dauernden Aufenthalt nach Nordrhein-Westfalen einreisen" würden, kamen viele Roma zurück nach NRW und stellten neue Asylanträge. Da wohnten in vielen Häusern in Shutka schon nicht mehr die Familien, denen NRW die Wohnräume zugewiesen hatte.

Die gut gemeinte Idee, den Roma eine Zukunft in den Herkunftsländern zu ermöglichen, war nicht aufgegangen. Auch weil in Skopje Perspektiven fehlten, zog es die Menschen wieder ins "reiche" NRW. Schon damals lag die Arbeitslosenquote in Skopje bei 70 Prozent.

Mehr als 20 Jahre später erfährt der Wunsch, Roma durch finanzielle Hilfen zum Verbleib im Heimatland zu bewegen, in der politischen Debatte eine Renaissance. Nicht nur in Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Mazedonien hat NRW zweistellige Millionensummen in soziale Projekte investiert - es bleibt aber ein Tropfen auf dem heißen Stein. Das Wohlstandsgefälle wirkt wie ein Staubsauger. Das gescheiterte Projekt "Skopje" zeigt, dass die Armutsflucht durch punktuelle Hilfen vor Ort kaum zu stoppen ist.

Die Landesregierung hilft deshalb 2014 mit 7,5 Millionen Euro aus EU-Töpfen den mit Armutsflüchtlingen besonders stark belasteten Kommunen in NRW. Auch das dürfte aber nicht reichen.

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