Rückführung nach Deutschland unklar Abschiebung von Bin-Laden-Leibwächter war rechtswidrig

Bonn · Ein mutmaßlicher früherer Bin-Laden-Leibwächter ist nach Tunesien abgeschoben worden. Ein Gelsenkirchener Verwaltungsgericht hatte die Rückführung am Donnerstag untersagt, die Entscheidung aber erst am Freitag mitgeteilt.

 Ratlos: NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp am Freitagmorgen in seinem Ministerium.

Ratlos: NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp am Freitagmorgen in seinem Ministerium.

Foto: dpa

Seit vier Jahren versuchen deutsche Behörden, einen früheren Leibwächter des inzwischen getöteten Al-Kaida-Anführers Osama bin Laden in seine tunesische Heimat abzuschieben. Am Freitag haben sie es nun getan – aber eigentlich hätten sie es gar nicht gedurft.

Was ist geschehen? Mehrfach hat Sami A. vor Gericht Entscheidungen gegen seine Abschiebung erwirkt. Ihm drohe in Tunesien die Folter. Mehrfach hat auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) das Abschiebeverbot wieder aufgehoben – zuletzt am 20. Juni. Damit verbunden war laut NRW-Flüchtlingsministerium die „sofortige Vollziehung der Abschiebung“. Die sogenannte Abschiebungsandrohung sei von der Ausländerbehörde der Stadt Bochum, wo Sami A. mit Frau und Kindern wohnt, ausgesprochen worden.

Der Tunesier wurde festgenommen und in ein Abschiebegefängnis gebracht. Von den Sicherheitsbehörden wird Sami A. aufgrund seiner terroristischen Vergangenheit als islamistischer Gefährder eingestuft. Aus dem NRW-Innenministerium hieß es dazu, er gehöre zu jenen Personen, von denen angenommen werde, dass sie schwerwiegende Straftaten begehen könnten. Dass er kein unbeschriebenes Blatt ist, ist auch daran zu erkennen, dass er sich täglich bei der Polizei melden musste und die Stadt Bochum nicht verlassen durfte.

Sami A. soll zeitweilig der Leibgarde Bin Ladens angehört haben. Außerdem soll er im Jahr 2000 eine militärische Ausbildung in einem Al-Kaida-Lager in Afghanistan erhalten haben. Hierzulande soll er sich als salafistischer Prediger betätigt haben. Sami A. hat all dies stets bestritten. Ein von der Bundesanwaltschaft eingeleitetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren war mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden.

Sami A. war 1997 zum Studium nach Deutschland gekommen. Auch nach der Bochumer Abschiebungsandrohung ließ der Tunesier nicht locker und wehrte sich gegen die Rückführung. So wollte er in einem Eilverfahren erreichen, dass das vom Bamf aufgehobene Abschiebungsverbot wieder in Kraft gesetzt wird, wie das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am 27. Juni mitteilte. Am Donnerstagabend nun entschied das Gericht tatsächlich im Sinne von Sami A. Er könne nicht abgeschoben werden, weil „keine diplomatisch verbindliche Zusicherung“ der tunesischen Regierung vorliege, dass ihm keine Folter drohe, hieß es in dem Beschluss.

Fax an Bamf kam während des Fluges nach Tunesien

Der aber wurde erst am Freitag kurz nach 8 Uhr vom Gericht an das Bamf gefaxt. Noch nicht zu spät für Sami A., der zwar schon gegen 7 Uhr in Begleitung von vier Bundespolizisten mit einer Chartermaschine in Düsseldorf gestartet sei, aber laut Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erst gegen 8.30 Uhr den tunesischen Behörden übergeben worden sei.

Das NRW-Flüchtlingsministerium wusste nach eigenen Angaben bis Freitagmorgen nichts von dem Abschiebeverbot. Es berief sich auf einen Beschluss einer anderen Kammer des Gelsenkirchener Verwaltungsgerichts. Die habe, so das Ministerium, am Mittwoch entschieden, dass die Bochumer Abschiebungsandrohung rechtens gewesen sei. „Auf Grundlage dieses Beschlusses ist die Rückführung nach Tunesien durchgeführt worden“, so das Ministerium. Laut Verwaltungsgericht Gelsenkirchen diente die Abschiebungsandrohung allerdings „lediglich der rechtlichen Vorbereitung der tatsächlichen Abschiebung“.

Ob Sami A. tatsächlich wieder nach Deutschland kommen kann, ist unklar – auch wenn das Gelsenkirchener Gericht nun die Stadt Bochum aufgefordert hat, ihn zurückzuholen, weil die Abschiebung unrechtmäßig gewesen sei. Die tunesischen Behörden nahmen ihren Staatsbürger jedenfalls gleich nach der Einreise in Gewahrsam, wie ein Sprecher der Anti-Terror-Staatsanwaltschaft der Nachrichtenagentur afp sagte.

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