Erinnerungen „Tonalität folgt geschmeidig dem Zeitgeist“

Bonn · Ex-FDP-Landtagsfraktionschef Gerhard Papke hat ein Buch über seine Zeit in der Politik verfasst. Viel Kritik äußert er am heutigen Parteichef Christian Lindner.

 Düsseldorf, März 2012: Der damalige designierte FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner und Fraktionschef Gerhard Papke im Landtag.

Düsseldorf, März 2012: Der damalige designierte FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner und Fraktionschef Gerhard Papke im Landtag.

Foto: picture alliance / dpa

Gerhard Papke schreibt über viele Weggefährten in der nordrhein-westfälischen FDP: über den „Abenteurer und politischen Raufbold“ Jürgen Möllemann, über Andreas Pinkwart, der „die Courage hatte, Möllemann die Stirn zu bieten“ und den Landesverband „vom Ruch der Unseriosität befreit“ habe – und auch über Guido Westerwelle, „der nicht nur ein feiner Mensch, sondern auch ein hervorragender Politiker war“.

Doch weit ausführlicher schreibt der langjährige Fraktionschef der FDP und Landtagsvizepräsident über seine Erfahrungen mit dem heutigen Parteichef Christian Lindner – und die sind durchaus ambivalent. Gemeinsam planten beide ihre Kandidatur für den Landtag, als sie 1999 noch in der Gummersbacher Friedrich-Naumann-Stiftung arbeiteten. Wenn Papke über den jungen Zivi Lindner schreibt, „der morgens mit Schwung seinen Porsche auf den Parkplatz manövrierte und mit flotten Sprüchen seine verspätete Ankunft begründete“, entbehrt das nicht einer gewissen Komik.

Ausführlich beschreibt Papke – 56 Jahre, wohnhaft in Königswinter –, wie beide im Landtag jahrelang in einem Büro zusammengearbeitet und sich bei innerparteilichen Abstimmungen gestützt haben. Sie machten gemeinsam gegen Rot-Grün Opposition und regierten in der schwarz-gelben Koalition. Nach der Landtagsauflösung 2012 sei Lindner „der ideale Kandidat“ gewesen, dessen „Performance im Wahlkampf brillant“ gewesen sei. Doch Papke schreibt auch – und auf den ersten rund 40 Seiten vor allem – über seine Enttäuschungen in Sachen Lindner. Eine Abrechnung mit seinem Weggefährten soll das Buch nicht sein, hat Papke vor Monaten dem GA gesagt. „Es soll ein aus der Rückschau entwickelter Debattenbeitrag sein – nicht mehr und nicht weniger“, schreibt er nun.

Er weist zwar darauf hin, dass all das, „was wir persönlich besprochen haben, unter vier Augen, am Telefon, per SMS oder Mail, keinen Eingang in dieses Buch finden wird“. Doch was er darüber hinaus schreibt, ist von einer Abrechnung nicht mehr weit entfernt. Dazu passt das Umschlagfoto, das Papke energisch nach vorn schreitend und Lindner, eher abwartend und wenig dynamisch, einen halben Schritt dahinter gehend, zeigt.

Seine Ernüchterung über Lindner sei vielleicht deshalb so groß, „weil ich um seine herausragenden Begabungen weiß“, schreibt Papke. Er hätte es dem jungen Parteichef zugetraut, „nach dem Rauswurf der FDP aus dem Bundestag neue Wege zu gehen, um Menschen an die politische Mitte zu binden, die sich sonst ganz abwenden oder Populisten hinterherlaufen“. Herausgekommen sei aber eher eine kunstvolle Inszenierung. „Lindners Tonalität folgt überaus geschmeidig dem Zeitgeist.“ Er nennt seinen Parteichef den „modernen Perfektionierer des politischen Mainstreams“.

Ausführlich beschreibt Papke, wie Lindner und seine engsten Mitarbeiter ihn „in den Senkel gestellt“ und gegen ihn Front gemacht hätten, nachdem er mit einem Parteifreund ein islamismuskritisches Papier veröffentlicht hatte. Zu unrecht fühlte er sich in die rechte Ecke gestellt. Jetzt, wo er nicht mehr im Landtag sitzt, hat er sich mit dem Buch gewehrt.

Gerhard Papke: Noch eine Chance für die FDP? Erinnerungen und Gedanken eines Weggefährten. Finanzbuchverlag. München 2017. 218 Seiten. 19,99 Euro

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