Deutschlands einziger weiblicher General „Steht dazu, dass ihr Frau seid“

Bonn · Gesine Krüger ist Vorreiterin einer Bundeswehr, wie Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sich die Truppe wünscht: besetzt auch mit Frauen, die in den Generalsrang aufsteigen, ohne mit der Wimper zu zucken. Jasmin Fischer sprach mit Deutschlands ranghöchster Soldatin.

 Generalarzt Dr. Gesine Krüger ist Deutschland ranghöchste Soldatin.

Generalarzt Dr. Gesine Krüger ist Deutschland ranghöchste Soldatin.

Foto: Fachmedienzentrum der Sanitätsa

Dienstgrade bei der Bundeswehr gibt es nur in der männlichen Form. Wie darf ich Sie ansprechen?

Gesine Krüger: Korrekt wäre: Frau Generalarzt. Umgangssprachlich höre ich auch oft: Frau Generalärztin. Passend zum Kommandeur gibt es auch schon ganz offiziell die Kommandeurin. Aber Sie haben recht: Eine weitestgehende Verweiblichung der Dienstgrade gibt es bei der Bundeswehr nicht.

Sie sind bei der Bundeswehr derzeit die einzige aktive Frau im Generalsrang – neben 180 männlichen Generälen. Sehen Sie sich als Vorkämpferin?

Krüger: Für mich stand immer die Arbeit als Ärztin im Mittelpunkt, nicht die Geschlechterfrage. Dennoch habe mir damals schon genau überlegt, ob ich zur Bundeswehr gehe. Ich bin ganz jung eingestiegen, im Offiziersrang, und war unter 495 000 Soldaten eine von 400 Frauen. Mir war bewusst, dass ich damit Exotin bin. Als Kampf habe ich es aber nicht empfunden.

Was heißt es denn, Frau in der Männerdomäne Bundeswehr zu sein?

Krüger: Der Sanitätsdienst besteht zu 50 Prozent aus Frauen, in manchen Jahrgängen stellen sie sogar die Mehrheit. Das kann man nicht mehr als Männerdomäne bezeichnen. In anderen militärischen Laufbahnen, wo es noch nicht so viele Frauen gibt, ist es für sie vielleicht nicht ganz so einfach. Meine ersten Tage als Truppenärztin habe ich in einem Jagdbombergeschwader verbracht – als einzige und erste Frau in Uniform bei der Luftwaffe. Diese Erfahrung geht vielleicht in die Richtung, wie Sie sich das vorstellen ...

Das wollen wir hören!

Krüger: Es gab eine gewisse Beklommenheit im Umgang. Man hat mich eben als junge Frau, nicht als Soldatin behandelt. Da wurde mir in den Camouflage-Parka geholfen oder der Dienstgradhöhere hielt mir die Tür auf – obwohl es hätte umgedreht laufen müssen. Sagen wir es so: Für die Männer war es eine größere Umgewöhnung als für mich.

Warum Truppenärztin, wenn man auch Hausärztin in Poppelsdorf werden könnte?

Krüger: Ich wollte mich nach dem Studium auf Chirurgie spezialisieren – damals auch eine Männerdomäne. So sehr, dass alle meine Bewerbungen um eine Assistenzarztstelle in einem zivilen Krankenhaus erfolglos waren. Meine Chance habe ich bei der Bundeswehr bekommen. Die Krankheiten bei der Truppe unterscheiden sich übrigens nicht großartig von denen, die der Hausarzt in Poppelsdorf sieht. Die Aufgaben sind etwas andere: Man muss auch in der Lage sein, in Sarajewo oder Masar-i-Scharif ein Feldlazarett samt OP-Sälen, Krankenpflege und Labors einzurichten. Und: Im Ernstfall ist man als Soldat bereit, sein Leben einzusetzen.

Bei Auslandseinsätzen tragen Sie eine Waffe, der Hausarzt in Poppelsdorf in der Regel nicht.

Krüger: Auf Patrouillen trägt auch der Sanitätsdienst Waffen, ja. Wir müssen im Notfall uns und verwundete Patienten schützen können. Das sehe ich ganz undramatisch. Ich habe einen älteren Bruder und durch ihn schon als Jugendliche mit einem Luftgewehr schießen gelernt. Ich treffe bei Schießübungen in der Regel recht gut.

Seit 2001 sind alle militärischen Laufbahnen für Frauen geöffnet. 19 000 Soldatinnen gibt es inzwischen – das sind elf Prozent der Gesamttruppe. Warum ist die Quote noch immer so niedrig?

Krüger: Ich habe leider keine Kinder, aber wenn es anders gewesen wäre, hätte ich mich für sie verantwortlich gefühlt und beruflich zurückgesteckt. Dann wäre ich vielleicht nicht Frau Generalarzt geworden. Das spielt eine große Rolle: Frauen sind oft nicht bereit, für die Karriere ihre Familie zu vernachlässigen. Auch Männer nehmen verstärkt Erziehungszeiten und Teilzeit in Anspruch. Darauf müssen wir uns als Arbeitgeber einstellen. Der zweite Grund liegt an den Frauen selbst. Die Bundeswehr beleuchtet Neubesetzungen bis in die höchsten Positionen auch nach Gleichstellungsaspekten. Das nutzt aber nichts, wenn die Frauen ihr eigenes Potenzial nicht gerecht einschätzen und sich zu wenig zutrauen. Ich habe oft erlebt, dass fähige, leistungsbereite Soldatinnen regelrecht ermuntert werden müssen, eine höhere Aufgabe zu übernehmen. Das ist bei Männern anders: Sie trauen sich viel mehr zu, bisweilen ohne die Qualifikation dafür mitzubringen.

Welche Lektionen würden Sie Frauen für ihren Aufstieg mitgeben?

Krüger: Geht offen auf Menschen zu, habt Mut, überschätzt Euch nicht, aber lasst Euch auch nicht auf zu kleine Aufgaben ein. Steht dazu, dass ihr Frau seid, aber lasst Euch nicht anders behandeln als ein Mann. Frauen brauchen nicht übertrieben burschikos auftreten, müssen aber die Last ziehen, die alle ziehen. Meldet Euch zu Wort, wenn Dinge nicht korrekt gemacht oder eingeschätzt werden. Vertretet Eure Meinung!

Wie sieht der Sanitätsdienst der Bundeswehr angesichts vieler, neuartiger Krisenherde zukünftig aus?

Krüger: Unser Ziel ist es, die Interoperabilität mit anderen Verbündeten zu fördern. Auslandseinsätze und Sanitätsdienst werden multinationaler. In Afghanistan haben wir ein Einsatzlazarett geführt und mit den Amerikanern, Ungarn und Österreichern sehr gut zusammengearbeitet. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr ist hoch anerkannt. Wir wären auch in der Lage, als Rahmennation die Gesamtführung über das internationale Sanitätspersonal in bestimmten Einsätzen zu übernehmen.

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