Luftschläge gegen IS „Helfen, um ein Massaker zu verhindern“

WASHINGTON · Luftschläge, aber kein neuer Irak-Krieg: Mit einem klar umrissenen Mandat will Obama helfen, die IS zu stoppen.

 Schwierige Entscheidung: US-Präsident Obama.

Schwierige Entscheidung: US-Präsident Obama.

Foto: dpa

Golfspielen, lesen, in der Sonne faulenzen, die Krisenherde der Welt vorübergehend hinter sich lassen - das war der Plan, bevor sich die Obamas heute ins amerikanische Sylt aufmachen. Auf der Nobelinsel Martha's Vineyard vor der Ostküste stehen bis zum 24. August präsidiale Sommerferien mit Kind und Kegel auf dem Programm. Unmittelbar vor der Abreise hat der Präsident angedeutet, dass es mit der Urlaubsstimmung schon bald vorbei sein könnte. Und wenige Stunden später ist es so weit: Zum ersten Mal seit dem Truppenabzug 2011 greifen die USA im Irak mit militärischer Gewalt ein.

Als Obama am späten Donnerstagabend im Weißen Haus ans Mikrofon tritt, ist dem Commander-in-Chief die Anspannung und Verhärtung anzusehen. Mehr als einmal nimmt er absehbare Argumente der Gegenseite vorweg, betont, wie falsch der ursprüngliche Irak-Krieg gewesen sei. Und wie richtig seine Entscheidung, das amerikanische Engagement im Zweistromland zu beenden. „Die USA können und sollten nicht jedes Mal intervenieren, wenn es auf der Welt eine Krise gibt“, sagt Obama. Im aktuellen Fall müsse Amerika allerdings helfen, um ein „Massaker“ zu verhindern.

„Wenn viele tausend unschuldige Zivilisten Gefahr laufen, ausgelöscht zu werden, und wir die Fähigkeit haben, etwas zu tun, dann handeln wir. Das ist unsere Verantwortung als Amerikaner“, beschreibt der Präsident die Lage der von einem Genozid bedrohten Jesiden im Nordirak.

Das Mandat, das Obama vorher der militärischen Führung um Generalstabschef Martin Dempsey ausstellte, ist klar umrissen: zum einen sollen die 50 000 im Sindschar-Gebirge eingeschlossenen Jesiden vor dem sicheren Tod bewahrt werden. Der Abwurf von ersten 20 000 Litern Wasser und 8000 Mahlzeiten aus tief fliegenden Transportflugzeugen, die von Kampfjets eskortiert wurden, war in der Nacht zum Freitag nur der Auftakt. Obamas Motiv ist eine humanitäre Notlage, die seit Tagen weltweit Empörung auslöst: „Entweder steigen sie vom Berg und werden abgeschlachtet, oder sie bleiben und sterben langsam vor Durst und Hunger“, beschrieb der Präsident die Lage der Flüchtlinge. Bereits 70 sind nach Angaben von Hilfsorganisationen gestorben, darunter etliche Kinder.

Zum anderen hat Obama nach ganztägigen und dem Vernehmen nach kontroversen Krisengesprächen mit seinen Beratern angeordnet, dass die US-Luftwaffe chirurgische Luftschläge gegen Stellungen und Konvois der radikalislamischen Gruppe „Islamischer Staat“ (IS) durchführen darf, wenn die 1,5 Millionen Einwohner zählende Metropole Erbil im kurdischen Autonomiegebiet bedroht ist. Dort sind unter anderen Hunderte amerikanische Diplomaten, Zivilisten und Militärs beschäftigt. Den Einsatz von US-Bodentruppen schloss Obama kategorisch aus.

Gegenwehr vom politischen Gegner hat Obama für seine Aktion vorläufig nicht zu befürchten. Der Kongress ist bis Mitte September in Parlamentsferien. Meinungsstarke Republikaner wie die Senatoren John McCain oder Lindsay Graham haben den Kurswechsel des Weißen Hauses in ersten Stellungnahmen uneingeschränkt befürwortet. Sie verlangen sogar ein noch entschlosseneres Vorgehen gegen die Terrormilizen der IS.

Obama betonte, er werde nicht zulassen, dass Amerika in einen weiteren Irak-Krieg hineingezogen wird, sagte er. „Es gibt keine amerikanische militärische Lösung für die Krise im Irak“, sagte der Präsident. Allein eine Aussöhnung der rivalisierenden Bevölkerungsgruppen und eine schlagkräftige irakische Armee könnten langfristig Sicherheit erzeugen.

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