„Brauchen starken Staat, der agiert“ Anti-Terroreinheit GSG 9 im Haus der Geschichte

Bonn · Der aktuelle GSG-9-Kommandeur Jérôme Fuchs und sein Vorgänger Olaf Lindner fordern bessere Rahmenbedingungen für ihre Arbeit. Im Haus der Geschichte wurde die Autobiografie des Gründers der Einheit, Ulrich Wegener, präsentiert.

Diskutierten über die Arbeit der GSG 9 (von links): Der ehemalige Kommandeur Olaf Lindner, Ex-GSG-9-Mann Dieter Fox, GA-Chefredakteur Helge Matthiesen, Kommandeur Jérôme Fuchs und Professor Otto Depenheuer.

Diskutierten über die Arbeit der GSG 9 (von links): Der ehemalige Kommandeur Olaf Lindner, Ex-GSG-9-Mann Dieter Fox, GA-Chefredakteur Helge Matthiesen, Kommandeur Jérôme Fuchs und Professor Otto Depenheuer.

Foto: Benjamin Westhoff

Der Name Ulrich Wegener ist untrennbar mit der GSG 9 verbunden – und die Anti-Terroreinheit mit ihm. 1972 baute er die Truppe nach dem Olympia-Attentat in München auf und wurde fünf Jahre später bei der Befreiung der entführten Lufthansa-Maschine „Landshut“ für die Öffentlichkeit zum „Helden von Mogadischu“. Zwei Jahre später gab Wegener die Leitung ab, doch die GSG 9 ließ den heute 87-Jährigen nie los: Seinen Nachfolgern stand der Terrorismusexperte und Sicherheitsberater stets mit Rat zur Seite. Noch heute schaue er alle 14 Tage beim Verband in Sankt Augustin vorbei, sagt der aktuelle Kommandeur Jérôme Fuchs.

In seinem Buch „GSG 9 – Stärker als der Terror“ (herausgegeben von Ulrike Zander und Harald Biermann) erzählt Wegener von seiner Arbeit bei der GSG 9 und weiteren wichtigen Stationen seines Lebens. Am Dienstagabend wurde seine Autobiografie im Haus der Geschichte vorgestellt. Danach diskutierten vor etwa 300 Besuchern Jérôme Fuchs, der ehemalige GSG-9-Kommandeur Olaf Lindner, Ex-GSG-9-Mann Dieter Fox und der Kölner Rechtsprofessor Otto Depenheuer unter der Leitung von GA-Chefredakteur Helge Matthiesen über die Arbeit der Spezialeinheit in Vergangenheit und Zukunft.

Terrorismus habe sich weiter entwickelt

Mogadischu habe die GSG 9 sicherlich geprägt, sagte Lindner. „Aber jeder lebt in seiner Zeit.“ Der Terrorismus habe sich weiterentwickelt, die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität sei zu einem großen Aufgabenfeld geworden. „Wir müssen uns unsere Lorbeeren selbst verdienen“, beschrieb es Fuchs. Seit der Gründung der Einheit vor 45 Jahren habe es 1900 Einsätze gegeben.

Beiden Wegener-Nachfolgern ist klar, wie wichtig ihre Rolle war und ist. „Die GSG 9 ist eine politische Einheit, die Minister zu Fall bringen kann“, sagte Lindner mit Blick auf den Rücktritt von Bundesinnenminister Rudolf Seiters nach dem Einsatz in Bad Kleinen 1993. Dieser Verantwortung müsse man sich bewusst sein, Lindner sprach von einem „Ritt auf der Rasierklinge“.

GSG 9 hat sich verändert

Wegener meisterte diesen. Er habe stets „Amtscourage“ bewiesen und sei ein Vorbild gewesen, lobte Depenheuer. Und nach innen sei es ihm gelungen, einen „Korpsgeist“ bei seiner Einheit zu wecken, merkte Fox an. Nach einer anstrengenden und verregneten tagelangen Schießübung 1973 habe Wegener die Zelte seiner Leute abgeklappert und mit allen ein Bier getrunken – als Kommandeur und Respektsperson. „Das war unglaublich“, sagte Fox.

Seit der Gründung vor 45 Jahren hat sich die GSG 9 natürlich verändert und sieht sich durch Digitalisierung und Globalisierung neuen Herausforderungen gegenüber. Vor allem in den vergangenen zwei Jahren sei im Bewusstsein der Deutschen das Thema von der terroristischen Bedrohung im Inland angekommen, betonte Fuchs, dessen Männer versuchen, ihr umfassendes Knowhow an die Bundespolizei weiterzugeben.

Rahmenbedingungen schaffen

Zuvor sei man in Deutschland noch auf der „pazifistisch geprägten rosa Wolke durch die Welt gesegelt“, ergänzte Lindner. Um den Gefahren zu begegnen brauche man „einen starken Staat, der nicht nur reagiert, sondern agiert“, sagte er. Und verband dies mit der Forderung, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen – etwa im Hinblick auf Überwachungsmöglichkeiten in den sozialen Medien oder bei der Vorratsdatenspeicherung. „Da ist der politische Diskurs sehr zäh“, kritisierte er.

Ein weiterer wichtiger Punkt für Fuchs und Lindner ist die internationale Zusammenarbeit – hier habe sich Wegener als Visionär erwiesen, da er bereits zu seiner Zeit darauf drang, nationale und internationale Netzwerke auf- und auszubauen. Heute tauschen sich die europäischen Spezialeinheiten zum Beispiel im Atlas-Verbund aus. „Wir können nicht stehenbleiben“, sagte Fuchs. Man müsse kreativ bleiben, um „das Gegenüber zu überraschen“.

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