Vor 80 Jahren wurde Elvis Presley geboren Der König lebt

Bonn · Für einen Popstar gibt es keine Altersgrenze, hat Bryan Ferry einmal festgestellt. Er wird in diesem Jahr 70. Leonard Cohen, inzwischen 80, hat 2013 zum runden Geburtstag sein neues Album "Popular Problems" veröffentlicht. Bob Dylan, 73, befindet sich unverdrossen auf seiner "never ending world tour". Mick Jagger wird im Juli 72. Elvis Presley wäre also in bester Gesellschaft, wenn er heute noch den "King" geben würde.

 Heimspiel in Mississippi: Elvis Presley bei einem Auftritt in Tupelo in den fünfziger Jahren.

Heimspiel in Mississippi: Elvis Presley bei einem Auftritt in Tupelo in den fünfziger Jahren.

Foto: dpa

"Wenn er noch leben würde, wäre er immer noch so kreativ wie damals", stellte Blues-Ikone B. B. King in einem Interview fest. Doch Presley zog es vor, am 16. August 1977 von der Bühne des Lebens abzutreten. Seine Verlobte fand ihn leblos auf dem Boden des Badezimmers. Er starb an Herzversagen. Presley wurde 42 Jahre alt.

Am 8. Januar feiert die Popwelt den 80. Geburtstag des Mannes aus Tupelo, Mississippi. Die Existenz des jungen Elvis Aaron stand unter keinem günstigen Stern. Die Mutter war ständig krank, der Vater ging nur Gelegenheitsjobs nach. Als sich Zwillinge ankündigten, baute er ein ärmliches Holzhaus. In einem der zwei Zimmer kam erst Jesse Garon zur Welt; eine Totgeburt. Eine halbe Stunde danach folgte das zweite Kind, das auf den Namen Elvis Aaron getauft wurde. Als es ein Jahr alt war, überlebte die Familie eine Tornadoserie, bei der fast 500 Menschen starben. Als der Junge drei war, wurde das Haus gepfändet, da der Vater wegen Scheckfälschung hinter Gitter musste. Es hätte besser laufen können.

Der Geburtstag ist Anlass, die im kollektiven Bewusstsein der Menschen verankerten Bilder und Geschichten vom "King" wieder einmal Revue passieren zu lassen, seinen Beitrag zur Kulturrevolution des Rock 'n' Roll anzuerkennen und nachzuempfinden, wie die Legende Elvis Presley entstand. Dazu gehören das aufgeregt rotierende Becken und das laszive Grinsen des Sängers, die sexuell aufgeladene Hysterie des jungen Publikums und die Abwehrreaktionen des geschockten Bürgertums.

Dazu gehören überdies die vielen, oftmals trivialen Filme, unzählige Hits, teure Autos, das Kitschtraumwelt-Anwesen Graceland, Manager Colonel Tom Parker, Armeedienst in Deutschland, Rückzug und Comeback, Karate und Waffen, Memphis und Las Vegas, Fast Food und Drogen, zum Schluss hin absurde Bühnenkostüme, die den massigen Körper des Sängers gleichsam verhöhnten.

Der Autor Gary Herman widmet Presley in seinem Buch "Rock 'n' Roll Babylon" mehrere Seiten, voll mit Hinweisen auf sexuelle Exzesse mit jungen Mädchen, LSD-Missbrauch und den Voyeurismus Presleys. Seine spätere Frau Priscilla lernte er kennen, als sie 14 war. Glaubt man Herman, hatte der "King" eine dunkle Seite.

Die Stimme des Sängers jedoch war über alle Zweifel erhaben. Sie war je nach Anlass sexy und seelenvoll, herausfordernd viril und verführerisch samtig. "Elvis 80" ist der Titel einer 3-CD-Veröffentlichung, die mehrere Facetten spiegelt: den "King of Rock 'n' Roll", den "King of Love", den "King of Today / (Remixes)", den "King of Duets" sowie den "King of Special Versions" - mit den "laughing versions" von "Are You Lonesome Tonight?" und "Wooden Heart (Muss i denn)".

Viele prominente Verehrer erkannten die Klasse Presleys. Leonard Bernstein zum Beispiel ließ sich zu einem Superlativ hinreißen: "Elvis ist die größte kulturelle Kraft des 20. Jahrhunderts." John Lennon übertrieb ein bisschen, als er sagte: "Vor Elvis war gar nichts." Bob Dylan schwärmte: "Seine Musik das erste Mal zu hören war wie aus dem Gefängnis auszubrechen." Auch Bruce Springsteen outete sich als großer Elvis-Fan. Frank Sinatra hielt dagegen. Er mochte die "erbärmliche, die Jugend zur Gewalt animierende Musik" nicht, ihm erschien sie wie ein "ranzig riechendes Aphrodisiakum".

Presley konnte sich selbst immer wieder in den Abgrund treiben und auch wieder selbst herausziehen. In den Siebzigern schluckte er jeden Tag Tabletten - Schlaftabletten, damit er schlafen konnte, und Muntermacher, damit er wieder zu sich kam. Vier Jahre vor seinem Tod, mit 38, wollte er noch einmal einen Neubeginn wagen. 1973 bedeutete eine Zäsur. Nach zwölfjähriger Bühnenpause und einem weitgehenden Rückzug aus der Öffentlichkeit (abgesehen von 27 Kinofilmen) war Presley nun seit einem Jahr wieder im Live-Geschäft. Mit einem Auftritt am 10. Juni 1972 im Madison Square Garden in New York hatte er sich zurückgemeldet.

Dem folgte am 14. Januar 1973 die Show "Elvis Aloha From Hawaii via Satellite". Es war das erste Konzert eines Solokünstlers, das live über Satellit in mehr als 40 Länder der Erde übertragen wurde. Gut eine Milliarde Menschen sollen zugeschaut haben. Danach war Presley in Höchstform. Sechs Singles zwischen 1973 und 1975 erreichten die Top 40 der Charts: "Raised On Rock", "I've Got A Thing About You Baby", "Promised Land", "If You Talk In Your Sleep", "My Boy" und "Mr. Songman". Experimente unternahm Presley nicht, an einer revolutionären Neuerfindung war ihm nicht gelegen. Aber mit einer nach wie vor kraft- und gefühlvollen Stimme produzierte der King Mainstream-Pop vom Feinsten. Privat hingegen ging es für ihn bergab. Er wurde fett, eigenbrötlerisch und paranoid, wie das amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek diagnostizierte. Am 16. August 1977 starb der Mann, und der Mythos wurde geboren.

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