Bassist Weber: "Verteidige Jazzmusik solange ich kann"

Hamburg · Mehr als 45 Jahre stand Eberhard Weber weltweit auf den Bühnen und revolutionierte die Rolle des Basses - bis ihn ein Schlaganfall halbseitig lähmte. Acht Jahre ist das her.

 Der Jazz-Bassist Eberhard Weber wird jetzt mit einem Jazz Echo für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Foto: Marijan Murat

Der Jazz-Bassist Eberhard Weber wird jetzt mit einem Jazz Echo für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Foto: Marijan Murat

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Obwohl er nicht mehr selbst spielen kann, veröffentlichte er seitdem zwei Platten und schrieb ein Buch. Bis heute gilt er als Ausnahmebassist und Innovator. In Hamburg wird er in der kommenden Woche (28. Mai) für sein Lebenswerk mit dem Echo Jazz geehrt. Er denke über einen endgültigen Abschied nach, sagt der 75-Jährige im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur.

Frage: Der Schlaganfall hat Ihr Leben vom einen auf den anderen Tag verändert. Wie geht es Ihnen heute?

Antwort: Es geht mir schon okay, der Schlaganfall ist acht Jahre her. Der stört mich halbseitig sehr, ich brauche einen Stock zum Gehen, bin nicht mehr so flexibel. Dazu ist meine Frau vor vier Jahren gestorben und ich lebe jetzt alleine. Ich komme damit zurecht, aber es ist nicht einfach.

Frage: Haben Sie Ihren körperlichen Zustand akzeptiert?

Antwort: Ich schimpfe immer noch lauthals ab und zu, wenn ich alleine bin. Das tut dann gut.

Frage: Sie sind in diesem Jahr 75 geworden und werden mit Preisen für Ihr Lebenswerk überhäuft. Was bedeuten Ihnen die Auszeichnungen?

Antwort: Es ist schon toll, wenn man eine solche Ehre bekommt. Aber es gibt eine Unmenge von Plattitüden. Da fragt man sich schon, was das alles soll. Es freut mich natürlich, aber es wird wohl keine wesentlichen Konsequenzen haben. Vielleicht lieg ich damit auch falsch. Es muss ja einen Grund haben, weshalb die Schallplattenindustrie solche Preise vergibt. Einfach aus Ehrenkäse heraus - das wäre nett, aber daran glaub ich nicht.

Frage: Abgesehen von Preisen, welches Kompliment werden Sie nie vergessen?

Antwort: Es gibt da zwei Sachen: Ich habe in jüngeren Jahren meine Fanpost gesammelt. Da waren zwei Schreiben, aus den USA und Schweden, da stand drin: 'Ich war am Ende, wollte mich umbringen und habe deine Musik gehört - da habe ich gedacht, ich warte noch.' Ob die Leute heute immer noch leben, weiß ich natürlich nicht. Und der Ulrich Olshausen vom Hessischen Rundfunk hat mal zu mir ganz nebenbei etwas Tolles gesagt: 'Eberhard, bei dir habe ich das Gefühl, dass die Leute nach einem Bass-Solo nicht deshalb klatschen, weil es endlich vorbei ist.' Das fand ich ein tolles Kompliment.

In Ihrem Buch "Résumé" ziehen Sie Bilanz - nicht nur persönlich, sondern auch über die Musikbranche. Wo geht es mit dem Jazz hin?

Antwort: Ich bin der Meinung, dass der Jazz in seiner Eigenart viel zu wenig goutiert wird. Der Jazz ist ja eigentlich die letzte Musik, in der Improvisation möglich ist. Es wird aber alles immer optischer gemacht.

Frage: Leidet darunter auch die Qualität der Musik?

Antwort: Mir kann niemand erzählen, dass er sich besser konzentrieren, singen oder spielen kann, wenn er an einem Seil auf die Bühne gelassen wird. Aber die junge Generation ist es so gewöhnt - und dann sagt man natürlich, das machen wir auch. Aber ich befürchte, dass die Musik darunter leiden wird. Wer hört denn heute jemals zu, was hinter dem Star läuft? Was macht das Schlagzeug, was spielt das Piano, was die Gitarre. Es ist nur wichtig, was der vorne tut, der Rest geht völlig unter. Das ist schade. Jetzt komme ich als Altvorderer und sage, es wäre schöner, wenn mehr auf die Musik geachtet würde. Aber ich verteidige die Jazzmusik als letzte Improvisationsmöglichkeit solange, wie ich kann. Ich kann es ja selbst nicht mehr machen, weil ich nicht mehr spielen kann, das ist ja die andere Tragik. Ich muss jetzt rein theoretisch vor mich hinquatschen.

Frage: Sie haben die Rolle des Basses revolutioniert. Sind Sie besorgt, dass der Bass ohne Sie wieder im Hintergrund verschwindet?

Antwort: Der ist immer im Hintergrund. Das leiseste Instrument ist eigentlich immer irgendwo der Bass. Man hört jeden Bläser, man hört jeden Schlag auf dem Schlagzeug. Was der Bass macht, geht eigentlich immer unter. Man hört die große Töne, aber die feinen Töne hört man alle nicht. Und was man gar nicht hört, ist der Klang des Instruments. Und das scheint den weitaus meisten Leuten auszureichen. Insofern war es immer so, dass der Bass eine Backgroundrolle spielt.

Frage: Obwohl Sie selbst nicht mehr spielen können, haben Sie zwei neue Alben veröffentlicht. Haben Sie Pläne für neue Projekte?

Antwort: Ich bin sehr stolz auf meine beiden letzten Platten, das hat so noch keiner vorher gemacht. Das war keine Resteverwertung oder so. Ich glaube, jetzt geht aber die Luft raus. Ich dürfte nicht noch eine dritte machen, auf gar keinen Fall in der gleichen Art. Den Hut nehmen und Abschied nehmen wäre ja vielleicht auch gut - das ist kein Entschluss, aber ein Gedanke.

ZUR PERSON: Der gebürtige Stuttgarter Eberhard Weber revolutionierte das Bassspiel im Jazz. Bei ihm wurde der Bass vom Pulsgeber zum Melodie- und Soloinstrument. Er entwickelte bereits in jungen Jahren eine eigene Form das Bassspiels. Für sein erstes eigenes Album "The Colours of Chloë" erhielt er 1975 den Großen Deutschen Schallplattenpreis. Weber spielte unter anderem mit dem Pianisten Wolfgang Dauner, dem Saxofonisten Jan Garbarek und dem Gitarristen Pat Metheny.

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