Wie kommen Kamele in die norddeutsche Tiefebene?

Hiddingen · Beke und Andreas Marquard lieben das Besondere. Auf seinem Hof in Hiddingen im Landkreis Rotenburg/Wümme züchtet das Ehepaar denn auch keine Pferde, wie es in Niedersachsen viele machen, sondern - Kamele.

 Andreas (r) und Beke Marquard geben Tipps für ihre Gäste beim Ausritt mit Kamelen. Foto: Carmen Jaspersen

Andreas (r) und Beke Marquard geben Tipps für ihre Gäste beim Ausritt mit Kamelen. Foto: Carmen Jaspersen

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"Standard "Nullachtfuffzehn" ist nicht unser Programm", sagt Beke Marquard. Rund 50 Trampeltiere und Dromedare leben auf der Farm, die die beiden Vermessungstechniker seit über zwei Jahrzehnten im Nebenerwerb betreiben. Oft kommen Besucher, um auf den Tieren zu reiten. Dann werden die Kamele hintereinander gebunden und als Karawane durch den "Hiddinger Bruch" geführt.

Am Anfang wurde das Treiben der Marquards von den Nachbarn skeptisch beobachtet. "Wir sind ein kleines Dorf mit 500 Einwohnern", sagt Beke Marquard. Das Eis brach, als jemand die Idee hatte, den Schützenkönig mit einem Kamel nach Hause bringen zu lassen. Inzwischen haben sich die Hiddinger längst an den Anblick gewöhnt. Nur Fremde reiben sich noch verwundert die Augen, wenn sie eine Kamelkarawane treffen.

Auf einem Kamel reiten - das möchte auch Konstanze Buddruss aus der Nähe von Frankfurt am Main, die Urlaub in der Lüneburger Heide macht. Sie kennt sich aus mit Reiten, allerdings auf Pferden. Mit einem Blick wird ihr schlagartig klar, um wie viel höher man auf einem Kamel sitzt. "In 23 Jahren ist noch keiner runtergefallen", beruhigt Andreas Marquard. Für den Aufstieg steht eine Treppe bereit. Als Buddruss auf "Aladin" sitzt, ist sie überrascht. "Das ist sehr bequem", sagt sie. Michaela Canzar aus Essen sitzt auf "Halef". "Das ist eine ganz andere Bewegung als auf einem Pferd", sagt sie. "Es kommt mir eher wie Bauchtanz vor."

Wie kommt man dazu, in Norddeutschland eine Kamelfarm zu betreiben? "Ich habe schon als Kind davon geträumt, ein Kamel zu haben", erzählt Andreas Marquard. Er war allerdings schon erwachsen, als er sich das erste Tier zulegte. Da Kamele Herdentiere sind, blieb es nicht bei einem. Inzwischen betreibt Ehepaar Marquard wohl eine der größten Kamelfarmen in Deutschland, auch die Kinder Fe und Marten helfen mit. Beke Marquard schätzt, dass es bundesweit rund 100 private und gewerbliche Kamelhalter inklusive Zoos gibt.

"Grundsätzlich können Altweltkamele, sowohl Dromedare als auch Trampeltiere, problemlos unter mitteleuropäischen Umweltbedingungen gehalten werden", sagt der Tierarzt und Agrarwissenschaftler an der Universität Bozen, Matthias Gauly. Entscheidend sei gutes Wissen in Sachen Fütterung, Pflege und Haltung. Beke Marquard setzt sich im Vorstand des 2009 gegründeten Vereins Altweltkamele für die artgerechte Haltung der Wüstenschiffe und für die Vermeidung von Inzucht in Europa ein. "Wer ein Tier kauft, bekommt meist keinen Abstammungsnachweis", sagt die 44-Jährige. Der Verein bietet deshalb eine Plattform an, um alle Tiere zu registrieren.

Auch die Marquards züchten; sieben Jungtiere wurden im laufenden Jahr schon geboren. Die beiden jüngsten Trampeltiere kamen allerdings nicht auf dem Hof zur Welt: Eines stammt aus dem Zoo Dresden, eines aus dem Zoo Münster. "Sie wurden von ihren Müttern nicht angenommen", erzählt Beke Marquard. Die Zoos baten das Ehepaar um Hilfe. Nun werden die Babys per Flasche groß gezogen.

Das nächste Projekt der Marquards ist der Vertrieb von Kamelmilch. "Vor ein paar Wochen haben wir mit dem Melken begonnen", sagt Andreas Marquard. Die Genehmigung für den Verkauf ist beantragt. Der 48-Jährige rechnet damit, dass es noch ein Jahr dauern wird, bis sie erteilt wird. Die Kamelfarm wäre auch nach Einschätzung des Vereins wohl die einzige in Deutschland, die eigene Milch anbietet. "Es gibt nur einen Betrieb in Holland und einen in der Schweiz, der auch melkt", sagt Andreas Marquard.

Das Produkt soll tiefgefroren an die Kunden verschickt werden. Der Geschmack von Kamelmilch ähnele dem der frischen, nicht pasteurisierten Kuhmilch. "Wir haben schon viele Anfragen", sagt Beke Marquard. Vor allem Menschen mit Neurodermitis und Allergien seien interessiert, selbst aus den USA gab es schon eine Anfrage. "Die würden die gesamte Milch aufkaufen", sagt Beke Marquard. Auch eine Nische, mit der man sich vom Standard abheben kann.

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