Umstrittene Spende - Netrebko hält die Separatistenfahne

St. Petersburg · Es ist ein kleiner Auftritt mit großer Wirkung für die Operndiva Anna Netrebko in einem Luxushotel von St. Petersburg. Eigentlich ist die 43-Jährige gerade wieder in der früheren Zarenmetropole, um das 250-jährige Bestehen der weltberühmten Eremitage-Kunstsammlung zu feiern.

 Anna Netrebko und der Separatistenführer Oleg Zarjow in St. Petersburg. Foto: Stringer

Anna Netrebko und der Separatistenführer Oleg Zarjow in St. Petersburg. Foto: Stringer

Foto: DPA

Doch am Rande der Feiern gerät der Weltstar nun zwischen die Fronten des Ukraine-Konflikts.

Vor laufenden Kameras übergibt Netrebko dem Separatistenführer Oleg Zarjow aus dem Kriegsgebiet Ostukraine einen Scheck über eine Million Rubel (15 000 Euro). Das Geld sei für das Theater der Stadt Donezk bestimmt, sagt sie. Gekommen sind aber nicht die Kulturschaffenden, um ihr zu danken. Es ist der von der Ukraine als Terrorist verfolgte Politiker Zarjow, der Netrebko trifft. Er drückt ihr die rote Fahne der Separatisten mit dem blauen Andreaskreuz in die Hand.

Die in der Ukraine als Terrorsymbol verachtete Fahne des abtrünnigen Gebiets Noworossija (Neurussland) kennt in Russland inzwischen jeder - vom Staatsfernsehen und den vielen Straßen-Spendenaktionen. Und es sind diese Bilder von Netrebko mit der Flagge, die bei vielen Menschen Entsetzen auslösen. Auf Netrebkos Facebook-Seite gibt es einen Sturm der Entrüstung: "Schande!", "Sponsorin der Terroristen!" und derbere Ausdrücke sind dort zu lesen.

"Das Blut der Ukrainer klebt jetzt an Ihren Händen", schreibt ein Kommentator. Es sind vor allem Ukrainer, die zum Boykott von Netrebkos Konzerten, CDs und Opernvideos aufrufen. Ob die Aktion für eine der berühmtesten Sängerinnen der Welt Folgen hat, bleibt freilich abzuwarten. Ihre Stamm-Opernhäuser im Westen hielten sich zunächst mit Urteilen zurück.

Das Außenministerium Österreichs kritisierte allerdings den Einsatz von Netrebko, die auch Bürgerin des EU-Landes ist: "Sich mit einem ostukrainischen Separatisten und seiner Fahne fotografieren zu lassen, ist problematisch", meinte ein Sprecher. "Denn dass derartige Fotos umgehend für Propagandazwecke missbraucht werden, ist klar."

Mit politischen Äußerungen hielt sich die Diva freilich zurück. Der Krieg im Konfliktgebiet und die Feindschaft zwischen Ukrainern und Russen seien ihr völlig "unverständlich", sagte sie. Sie erinnerte an ihre Heimatstadt Krasnodar, wo Russen und Ukrainer seit Jahrhunderten friedlich zusammenleben. "Ich denke, der Krieg sollte aufhören - je schneller, desto besser. Aber das ist schon Politik, darauf gehe ich nicht ein", sagte Netrebko.

Sie unterstütze keine der kämpfenden Seiten, sondern die Kultur, betonte die Sängerin. Immerhin würden die Künstler auch in schwersten Zeiten - ohne Gehalt und auf viel zu kalten Bühnen - die Menschen im Kriegsgebiet unterhalten. In vielen Städten Russlands laufen seit Monaten Spendenaktionen für die Menschen im Kriegsgebiet Donbass. Auch Netrebko will deshalb ihren Beitrag leisten. Doch die politische Wirkung überstrahlt ihre humanitäre Botschaft.

Die Solistin des St. Petersburger Mariinski-Theaters hat immer wieder deutlich gemacht, dass sie russische Patriotin ist: Bei der Präsidentenwahl 2012 gehörte sie zu den "Vertrauenspersonen" von Kremlchef Wladimir Putin. Auch der Ex-Geheimdienstchef weilte am Montag in seiner Heimatstadt St. Petersburg, um an der Eremitage-Zeremonie teilzunehmen.

Der Kreml hat eine bis in die Sowjetzeiten zurückreichende Tradition, international erfolgreiche Künstler, aber auch Sportler für politische Zwecke einzuspannen. Die Primaballerina Swetlana Sacharowa etwa saß für die Kremlpartei Geeintes Russland zeitweilig im Parlament. Und immer wieder schlägt den Kulturschaffenden für politisches Engagement im Westen auch Kritik entgegen. So erlebte der Stardirigent Waleri Gergijew, künftiger Leiter der Münchner Philharmoniker, Proteste wegen seiner Putin-Unterstützung.

Andersdenkende Künstler sehen sich hingegen öffentlich kaum wahrgenommen in ihrer Heimat. Im März kritisierten Schriftsteller und Bürgerrechtler in einem Protest-Brief den Kurs von Putin im Ukraine-Konflikt als "brandgefährlich". "Es werden die Prinzipien der europäischen Sicherheit und Stabilität verletzt", kritisierten die Unterzeichner des Briefes. Unter ihnen waren auch in Deutschland populäre Autoren wie Ljudmila Ulizkaja und Viktor Jerofejew.

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