Schonungslos: Yael Ronens Nahost-Stück "The Situation"

Berlin · Sie haben syrische, palästinensische oder israelische Wurzeln - und von klein lernten sie, dass sie Feinde sind. In Yael Ronens neuem, am Freitagabend im Berliner Gorki Theater uraufgeführten Stück "The Situation" prallen Welten und Weltanschauungen aufeinander - mitten in Berlin.

 Die Schauspieler Orit Nahmias (l) und Karim Daoud in dem Theaterstück "The Situation" im Maxim Gorki Theater Berlin. Foto: Claudia Esch-Kenkel

Die Schauspieler Orit Nahmias (l) und Karim Daoud in dem Theaterstück "The Situation" im Maxim Gorki Theater Berlin. Foto: Claudia Esch-Kenkel

Foto: DPA

Die preisgekrönte israelische Regisseurin erzählt von aus dem Nahen Osten kommenden Neu-Berlinern. Ein mutiger, schonungsloser Theaterabend - voller bitterer Selbstironie, geschliffenem Wortwitz und jenseits aller klebrigen Betroffenheits-Plattitüden.

Auf der Bühne stehen drei Palästinenser, ein Syrer und eine Israelin - und wie immer bei Ronen mischen sich Fiktion und echtes Leben. Die Autobiografien der Schauspieler fließen in ihre Rollen ein. Wer auf Hebräisch oder Arabisch auf die aktuelle politische Lage des Nahen Ostens anspielen wolle, spreche einfach von "The Situation", so Ronen. Die Fünf mit "Situation"-Hintergrund treffen nun in einem Deutschkurs in Neukölln aufeinander - "in diesem großartigen palästinensischen Dorf Neukölln", wie Yousef Sweid ("Hatufim", "Homeland") als Amir schwärmt.

Ihr Deutschlehrer Stefan (Dimitrij Schaad), der früher Sergej hieß und aus Kasachstan stammt, hat selbst einen sogenannten Migrationshintergrund - und steht nun als "Meisterwerk der Integration" für die Rolle der Deutschen in der Debatte um Flüchtlinge und Einwanderer. Stefan will unbedingt helfen, lässt den aus Syrien nach Berlin gekommenen Filmemacher (gespielt von Ayham Majid Agha) bei sich wohnen und ist doch völlig hilflos und überfordert, als er erfährt, was diesem widerfahren ist.

Stefan lässt sich erklären, wie im seit 2011 in Syrien tobenden Krieg die aktuellen Fronten verlaufen. "Du kannst mindestens fünfmal am Tag sterben. Das ist normal", erzählt der syrische Neu-Berliner über den Alltag in seinem Heimatland. Und dass IS-Kämpfer von ihm verlangt hätten, den Kopf eines Soldaten des syrischen Regimes abzuhacken, damit sie wissen, dass er auf ihrer Seite ist. Und hat er das getan, will Stefan wissen.

Yael Ronen dreht in "The Situation" mit ganz leichter Hand das ganz große Rad der Weltpolitik. Sie zeigt, was Krieg, Vertreibung und Heimatlosigkeit für den einzelnen Menschen bedeuten. Es geht um Identität und Traumata, Islamophobie und Fremdenhass, deutsche Vergangenheitsbewältigung und die Hoffnung der Geflüchteten auf Freiheit.

Tal Shacham hat für das sehr reduzierte Bühnenbild eine Mauer gebaut, die an die von Israel zum Westjordanland hin errichtete Grenzanlage erinnert - dann aber zu einer Treppe umgebaut wird, die für die Figuren des Stücks aufwärts in eine bessere Zukunft führen könnte. Doch gibt es überhaupt Hoffnung? Darüber ist man sich auf der Bühne am Ende uneins. Das Premierenpublikum zeigte sich sehr beeindruckt von dem Abend und applaudierte Ronen und ihrem Team lange.

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