"Sänger ohne Schatten" bei Ruhrtriennale uraufgeführt

Gladbeck · Drei namhafte Sänger gehen Körper, Stimme und Identität auf den Grund. In Boris Nikitins "Sänger ohne Schatten", das die Ruhrtriennale als "Musiktheater/Performance" angekündigt hatte, berichteten die Protagonisten über ihre Erfahrungen im internationalen Musikbetrieb.

 Der Countertenor Yosemeh Adjei zeigt in "Sänger ohne Schatten", dass er seinen Beruf und den Opernbetrieb mag. Foto: Ina Fassbender

Der Countertenor Yosemeh Adjei zeigt in "Sänger ohne Schatten", dass er seinen Beruf und den Opernbetrieb mag. Foto: Ina Fassbender

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"Sänger ohne Schatten" nennt Boris Nikitin (*1979 in Basel) seine neue Collage. Der junge Theatermacher aus der Schweiz ist gleichzeitig Autor und Regisseur, wie einer seiner Lehrer, René Pollesch. Die Uraufführung geht in Gladbeck, in der Halle Zweckel über die Bretter, im Rahmen der Ruhrtriennale, die Heiner Goebbels leitet, ein anderer Lehrer Nikitins. Drei Sänger stehen auf der Bühne, eine Sopranistin, ein Tenor und ein Countertenor, die sichtlich zum Stück wie zur Uraufführung beigetragen haben - die "Performance" fußt auf ihren Erfahrungen.

Karan Armstrong, lange Zeit Primadonna an der Deutschen Oper in Berlin, ist am prominentesten. Sie hatte einen Bandscheibenvorfall, trat aber trotzdem auf - im Rollstuhl - das Publikum bedankte sich für ihr Engagement mit Extrabeifall. Die Sopranistin ist Amerikanerin, erzählte von ihrer Kindheit auf dem Land, wie ihr Talent entdeckt wurde, berichtet über ihren ersten Schritte und schließlich ihren Durchbruch: Ihr glänzendes Leben als Diva auf den großen Bühnen dieser Welt. Sie blieb ziemlich konventionell, am interessantesten war ihr Bericht über ihre Methode, sich einer Bühnenfigur anzunähern: Sie greift auf ihre Lebenserfahrung zurück.

Yosemeh Adjei hat afrikanische Wurzeln, er sieht aus wie ein junger Gott, eine prachtvolle Bühnenerscheinung und ist Countertenor. Er gibt Proben seines Könnens, aber die Stimmlage wirkt befremdlich. Er ist offenbar einverstanden mit seinem Beruf und dem Opernbetrieb.

Im Gegensatz zu Christoph Homberger, einem älteren Tenor aus der Schweiz, der sich von der Bühne zurückziehen möchte, um eine Gaststätte zu eröffnen. Homberger ist korpulent und macht sich über den Sängerberuf lustig. Noch mehr als unbedingt nötig öffnet er seinen Riesenmund, beim "Aaaah!" tendiert seine Mimik zur Grimasse. Einmal geht er hinaus, kommt mit einem Teller Spaghetti zurück und zerkaut sie - während er singt.

Solche kritischen Kommentare zum Bühnengesang sind rar - meistens wird er gelobt, einmal werden ihm sogar übernatürliche Kräfte zugeschrieben. Gespielt wird in der Gladbecker Halle Zweckel - ein ehemaliger Maschinenraum von riesigen Ausmaßen. Zunächst ist die Enttäuschung groß - denn die Halle ist reduziert auf eine enge Probenbühne. Doch im spektakulärsten Augenblick des Spiels werden die Wände hochgezogen, hinter der engen Begrenzung wird die Weite sichtbar, die riesige Turbine, die noch übrig geblieben ist aus den Zeiten, als hier die Industrie den Ton angab.

Aber es bleibt Behauptung, dass die Musik die Kraft hat, Grenzen aufzuheben - wirklich überzeugen kann weder der Gesang noch die karge Handlung. Boris Nikitin fehlt die kritische Kraft seines Lehrers René Pollesch. Die Uraufführung verbleibt allzu oft im affirmativ Unverbindlichen einer Talkshow. Skeptiker, die das Musiktheater für überflüssig halten, werden die "Sänger ohne Schatten" kaum vom Gegenteil überzeugen können. Aber das Publikum schien zufrieden, es applaudierte, wenn nicht begeistert, so doch einhellig.

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