Johan Simons: Das globale Dorf soll schöner werden

München · Der Kammerspiel-Intendant Johan Simons hat eine ebenso absurde wie kluge Performance über nicht weniger als die Zukunft der Welt auf die Bühne gebracht.

 Im Sommer verlässt Johan Simons die Münchner Kammerspiele Richtung Ruhrtriennale. Vorher aber nimmt er sich die Zukunft der Welt vor. Foto: Caroline Seidel

Im Sommer verlässt Johan Simons die Münchner Kammerspiele Richtung Ruhrtriennale. Vorher aber nimmt er sich die Zukunft der Welt vor. Foto: Caroline Seidel

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In "Unser Dorf soll schöner werden" lässt er hervorragende Schauspieler über Kapitalismus und Klimawandel diskutieren und über den Weltuntergang dampfplaudern. "Ohne radikale Note gibt es keine Transition."

Es ist das globale Dorf, um das es in dieser Uraufführung des niederländischen Schauspielkollektivs "Wunderbaum" geht. Der Titel ist mehr als euphemistisch. Die These: "Wirklich weiter entwickeln tut sich nur die Technik. Der Mensch steht tönend am Abgrund."

An einem rechteckigen Runden Tisch trifft ein BMW-Mitarbeiter (Walter Baart), der meint "Kapitalismus und Klimawandel können durchaus zusammengehen", auf eine Klimaexpertin, die "schon pessimistisch war bei der Geburt" (Maartje Remmers). Eine Managerin (Marleen Scholten) trifft auf einen Aktivisten (Gertrud-Eysoldt-Ring-Träger Steven Scharf) und einen Soziologen (Stefan Hunstein), der wissen will: "Wie finden wir denn all die Fragen wieder auf all die Antworten, die wir schon gegeben haben?" Sie alle wollen "Führungsfiguren an Vorabend der Apokalypse" sein.

Dialoge gibt es nicht, sie werden durch wechselseitiges, minutenlanges Monologisieren ersetzt - oder durch minutenlanges, überraschend abwechslungsreiches Schluchzen, das die Klimaexpertin überfällt, als sie an die Ergebnisse der Klimakonferenz von Kopenhagen 2009 denkt. Szenenapplaus gibt es dafür.

Die Inszenierung wechselt nicht nur zwischen Deutsch, Englisch und Holländisch, sondern auch zwischen überaus unterhaltsamer, bissiger Satire und absurd-melancholischem Kammerspiel. Stringent erzählt ist der Abend nicht - und nicht jede Szene leuchtet ein. Warum es beispielsweise eine minutenlange Oralsex-Szene gibt, bei der alle Beteiligten dem lethargischen Singsang "Im stillen Nächtle weint ein Mann, weil er sich erinnern kann" verfallen, bleibt wohl ein Geheimnis.

"Unser Dorf soll schöner werden" ist die zweitletzte Inszenierung von Kammerspiel-Chef Johan Simons vor seinem Abschied aus München. Der Holländer, der das Haus in seiner Amtszeit zum "Theater des Jahres" machte, verlässt München zum Ende der Saison und wird Intendant der Ruhrtriennale. Seine Begründung für den Jobwechsel: Er wollte näher bei seiner Familie sein. Bevor es soweit ist, bringt er aber am 29. April noch die Uraufführung "Hoppla, wir sterben" auf die Kammerspiel-Bühne.

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