Fulminante Premiere: "Die Soldaten" in München

München · Blutrausch in der Oper: Zum ersten Mal seit 40 Jahren hat die Bayerische Staatsoper Bernd Alois Zimmermanns Oper "Die Soldaten" wieder auf die Bühne gebracht.

 Regisseur Andreas Kriegenburg hat die "Soldaten" auf die Bühne gebracht. Foto: Frank Leonhardt

Regisseur Andreas Kriegenburg hat die "Soldaten" auf die Bühne gebracht. Foto: Frank Leonhardt

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Und die neue Inszenierung ist nichts anderes als fulminant. Regisseur Andreas Kriegenburg und Generalmusikdirektor Kirill Petrenko begeistern mit ihrer Version des in jeder Hinsicht gewaltigen Stoffes von Jakob Michael Reinhold Lenz das Premierenpublikum am Sonntagabend.

Fast frenetisch wird die Inszenierung, ein unglaublich hartes, bild- und tongewaltiges Plädoyer für Menschlichkeit und gegen Gewalt, gefeiert. Und das, obwohl Kriegenburgs Interpretation nichts für schwache Nerven ist. Ganz im Gegenteil. Sie ist ein regelrechter Alptraum.

Gleich zu Beginn schubsen Soldaten nackte, blutverschmierte Frauen in Käfigen (Bühne: Harald B. Thor) herum, quälen sie und hängen sie auf. Es ist ein Bild, das sich in unterschiedlichen Varianten oft wiederholt an diesem Abend.

Der Zivilisationsgrad einer Gesellschaft offenbart sich schließlich auch am Verhältnis der Geschlechter untereinander und so zeigt Lenz' Drama die Unmenschlichkeit der soldatischen Gesellschaft anhand ihres Umgangs mit Frauen.

Darum sind die blutigen Gewaltexzesse und schockierenden Vergewaltigungsszenen in Kriegenburgs Inszenierung nie skandalöser Selbstzweck. Nacktheit und Theaterblut werden hier so eingesetzt, wie man es selten erlebt auf deutschen Bühnen: Sie schocken, wühlen auf, machen über den Abend hinaus nachdenklich.

Dazu trägt vor allem Barbara Hannigan bei, die die Hauptrolle der Marie so berührend und eindringlich interpretiert, dass sie unter die Haut geht. Hannigans Marie, die sich einem Soldaten und dann immer mehr Soldaten hingibt, "zur Hure gemacht" wird, wie es in dem Stück heißt, ist weniger Lolita als entrückte Alice im Wunderland.

Von Beginn an legt sie ebenso zarte wie roboterhafte Bewegungen an den Tag - unschuldig, fremdbestimmt und chancenlos von Anfang an. Ein Lamm zwischen blutrünstigen Wölfen, der Bestie Mensch, der Bestie Soldat hilflos ausgeliefert.

Schließlich sind ihr alle Türen in ein menschenwürdiges Leben verschlossen. Eine der stärksten Szenen in dieser an starken Szenen reichen Inszenierung ist die, in der Marie von einer Tür zur anderen rennt - und immer wieder zurückgestoßen wird. Ein grausamer Kampf gegen Windmühlen.

Hinter ihrer auch stimmgewaltigen Darbietung verblasst sogar die gewaltige Okka von der Damerau als Maries Schwester Charlotte und völlig zurecht bekommt Hannigan vom Münchner Publikum den meisten Applaus - zumindest bis Dirigent Petrenko die Bühne betritt, der sein Münchner Publikum in seinem ersten Jahr als Generalmusikdirektor schon komplett in seinen Bann gezogen hat.

Virtuos führt er sein Orchester auch durch Zimmermanns überbordende Klangwelt - laut, gewaltig, aber immer präzise und perfekt auf das abgestimmt, was auf der Bühne geschieht.

In einem Gewalt-Exzess aus Bild und Ton endet die Oper im Blutrausch. Hohläugige Soldaten in an die Gestapo erinnernden Uniformen fallen übereinander her und über Marie. In einem Käfig im Hintergrund steht ein nackter, angeketteter Mann mit schwarzer Kapuze auf dem Kopf - eine Erinnerung an den Folterskandal von Abu Ghoreib. Auch das waren Soldaten. Und mit dem Schlusspunkt reißen die Soldaten ihre Gesichter in die Höhe, um sich zu zeigen, wie sie sind: blutverschmiert und zur Fratze verzerrt. Ein Bild wie ein Alptraum.

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