Der Hund im Porträt: Lucian Freud als Tiermaler

Siegen · Der Blick von Lucian Freud soll stechend gewesen sein. Stundenlang malte er seine schonungslosen Porträt- und Aktbilder. Keine Furche, keine Speckfalte, kein Hautmakel entging dem "Maler des Fleisches" in den berüchtigten endlosen Sitzungen in seinem Atelier.

Weltbekannt sind die Menschenporträts des Enkels des Psychoanalytikers Sigmund Freud. Dass in vielen Bildern Tiere eine ebenso gewichtige Rolle spielen und Freud überhaupt ein meisterhafter Tierzeichner von Jugend an war, ist ein bislang wenig beachteter Aspekt seines Werks.

Das Museum für Gegenwartskunst in Siegen rückt nun erstmals die Tierdarstellungen Freuds in den Mittelpunkt einer Ausstellung (1. März bis 7. Juni). Der Bogen reicht vom ersten Tiergemälde mit panischen Pferden aus Freuds Jugend, das seine Flucht aus Nazi-Deutschland 1933 symbolisiert, bis zu seinem letzten Aktbild seines Assistenten David Dawson mit Hund "Eli". Dieses "Porträt des Jagdhundes" stand noch unvollendet auf der Staffelei, als Freud im Juli 2011 in London starb.

Freud liebte Pferde und das Reiten, sein Whippet-Jagdhund Pluto lief durchs Atelier, und in den 40er Jahren besaß Freud auch mehrere Raubvögel. Nur Katzen waren ihm eher unsympathisch. Aber Katzenaugen spielen dennoch eine wichtige Rolle in seinem Werk, arbeitet die Kuratorin Ines Rüttinger in der kleinen, aber pointierten Schau heraus. Der leere und nicht fokussierte Blick einer Katze in einer frühen Zeichnung aus den 40er Jahren nehme ein wesentliches Detail seiner späteren Menschenporträts vorweg, sagt sie. Zwei Jahre lang trug sie in mühevoller Arbeit rund 30 Tierdarstellungen Freuds aus Museen und vor allem Privatsammlungen zusammen.

Zu Freuds Bestiarium gehören etwa eine Gottesanbeterin, ein Seeigel und ein Tintenfisch, Katzenaugen, Fledermäuse. Aber auch der ausgestopfte Zebrakopf, den er besaß, taucht immer mal wieder auf - als surrealistische Bildkomposition oder als Vorlage für das Etikett eines französischen Weins.

Auch tote Tiere malte Freud - aus einer Tierhandlung erhielt er als junger Mann tote Hühner, Affen oder Kaninchen. So wie er später die Haut des Menschen in jeder kleinsten Falte und Unebenheit ausmalte, zeichnete er schon früh akribisch Federn und Fell. Ein in Öl gemalter Hahnenkopf mit prächtigem Federwerk wirkt noch im Tod so majestätisch, dass man vergisst, dass der Vogel geköpft wurde.

Tiere waren für Freud dem Menschen gleichrangig, lautet die These der Ausstellung. In den Doppelporträts von Tieren und Menschen verstärken häufig Hunde bestimmte Stimmungen oder Wesenszüge des Menschen. Eines der eindrücklichsten Gemälde zeigt Freuds schwangere Frau Kitty mit leerem, müdem Blick und entblößter Brust in einem Bademantel. Der Bullterrier, den das Paar zur Hochzeit geschenkt bekommen hatte, ruht mit ähnlich traurigem Blick auf ihrem Oberschenkel. Das Bild ist voll abgründiger Symbolik - bald nach der Fertigstellung trennte sich das Paar.

Meist erscheint die Beziehung zwischen Mensch und Tier in Freuds Bildern als harmonische und friedliche Lebenspartnerschaft. Das mag aber auch daran liegen, dass seine Modelle, ob Mensch oder Tier, von den stundenlangen Sitzungen im Atelier einfach völlig ermattet waren.

Anders ist es beim Bild des wie ein Mafioso aussehenden Buchmachers Guy mit seinem Hund "Speck". Die Hand des Mannes krallt sich in das Fell des Terriers, der anscheinend vom Schoß springen will und seine Lefzen bedrohlich hebt. Der im Anzug gekleidete Buchmacher verbarrikadiert sich hinter der Fassade der Eleganz, doch seine Mimik wirkt ähnlich angespannt-aggressiv wie die seines Hundes. "Mich interessiert der Mensch als Tier ungemein", hatte Freud einmal gesagt.

Schweine hätte Freud auch gern gemalt. Aber die waren ihm zu unruhig.

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