"Die Verlobung" Chloe Hooper erzeugt klaustrophobische Kammerspielstimmung

BONN · "Lebe deinen Traum. Nur dass einem keiner sagt, welchen man leben soll: den guten oder den bösen." Die Ich-Erzählerin Liese Campbell hat sich offenbar für letzteren entschieden, seit sie vor ihren Schulden und der gescheiterten Architektenlaufbahn nach Australien floh.

 Chloe Hoopers neuer Roman "Die Verlobung".

Chloe Hoopers neuer Roman "Die Verlobung".

Hier gewinnt sie dem Job als Immobilienmaklerin durchaus lustvolle Seiten ab, wenn sie sich mit ihrem reichen Vorzugskunden Alexander Colquhoun in den Betten der zum Kauf angebotenen Häuser wälzt. Um das zügellose Treiben zusätzlich zu würzen, erzählt Liese ihrem ebenso entsetzten wie erregten Liebhaber, sie habe früher ähnlich schamlos ihre Freier im Bordell verwöhnt. Und sie nimmt auch von ihm "aphrodisisches Bargeld".

Alexander, schwerreicher Farmer in der Einsamkeit des Outbacks, möchte seinen gefallenen Engel nunmehr aus dem Sumpf ziehen und lädt Liese zu einem Wochenende in sein viktorianisches Herrenhaus ein - spätere Heirat nicht ausgeschlossen. Womöglich eine fatale Falle, wie der Angebeteten schwant, und so wird Chloe Hoopers Roman "Die Verlobung" langsam, aber sicher zum Horrortrip.

Wobei die 1973 in Melbourne geborene Autorin keine Gewaltexzesse braucht, sondern es meisterhaft schafft, ausgerechnet in Australiens Weite klaustrophobische Kammerspielstimmung zu erzeugen.

Zwar mehren sich in Lieses Ich-Bericht Anzeichen dafür, dass Alexander der berühmte Feind in ihrem Bett sein könnte: äußerlich Kavalier, tatsächlich womöglich ein gefährlicher Zwangscharakter. Doch neben ihrer offensichtlichen Vorliebe für gefährlichen Kitzel irritiert den Leser bald auch die wacklige Glaubwürdigkeit der Heldin. Was, wenn ihre Rotlichtvergangenheit doch keine luststeigernde Fantasie wäre? Was, wenn seine Rettungsversuche nicht anmaßender Ritterlichkeit und moralischer Arroganz, sondern bitterer Notwendigkeit entspringen sollten?

Gewiss wird dieser Trick einer nur bedingt vertrauenswürdigen Erzählstimme nicht zum ersten Mal angewandt. Doch so elegant und effektiv wie diese Autorin zieht nicht jeder Psychothrillerspezialist seinen Lesern den Boden unter den Füßen weg.

Einerseits bangt man mit Liese, wenn sie in Alexanders Spukschloss hinter verschlossenen Türen und ohne Handyempfang ausgeliefert wirkt. Andererseits staunt man, wie schnell sich diese scheinbar so selbstkritische Frau beim kleinsten Nachlassen des Drucks wieder von der Attraktivität ihres Bewachers(?) überrumpeln lässt.

Eine böse schillernde Geschichte hat sich Chloe Hooper da ausgedacht, und bald liegt es allein im Auge des gefesselten Betrachters, was in diesem schlüpfrigen Spiegelkabinett wohl Realität, Illusion oder gar berechnende Inszenierung ist.

Info

Chloe Hooper: "Die Verlobung". Roman, aus dem Englischen von Michael Kleeberg. Liebeskind, 319 S., 19,80 Euro.

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