Akademie-Präsident Staeck zieht Bilanz

Berlin · Neun Jahre lang stand der Plakatkünstler Klaus Staeck an der Spitze der Berliner Akademie der Künste. Die Satzung verbietet dem 77-Jährigen eine vierte Amtszeit. Im dpa-Interview zieht er Bilanz. Und verrät, was er sich für die Nachfolge wünscht.

 Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste, in Berlin. Foto: Sonja Marzoner

Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste, in Berlin. Foto: Sonja Marzoner

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Frage: Hätten Sie noch weitergemacht, wenn es die Satzung erlaubt hätte?

Antwort: Nein, neun Jahre sind eine gute Zeit. Und das ist ja das Schöne an der Demokratie, dass es solche Regeln gibt.

Frage: Mit welchen Gefühlen gehen Sie?

Antwort: Natürlich gibt es ein weinendes und ein lachendes Auge. Was ich nicht vermissen werde, sind die vielen Sitzungen und die notwendige Bürokratie. Aber ich habe entdeckt, dass ich offenbar auch diplomatische Fähigkeiten habe, was mir vorher fremd war. Ich glaube, dass es in den neun Jahren gelungen ist, diese ehrwürdige Einrichtung in unserer Zeit ankommen zu lassen.

Frage: Was heißt das?

Antwort: Bei meinem Amtsantritt war ja ziemlich Land unter, es gab sogar Stimmen, die die Existenz der Akademie infrage gestellt haben. Inzwischen behauptet niemand mehr, wir seien eine verstaubte Institution. Wir werden wieder respektiert, unsere Stimme wird gehört. Trotzdem habe ich sehr bewusst an der Fassade unseres Gebäudes am Pariser Platz den Slogan hängen "Nichts ist erledigt".

Frage: Welche konkreten Änderungen gab es?

Antwort: Ich habe die Akademie-Gespräche eingeführt, in denen wir regelmäßig kontroverse gesellschaftspolitische Themen aufgreifen. Wir gehen mit unseren Mitgliedern in Schulen und versuchen, den Schülern Lust zu machen auf Kunst und damit auch auf Demokratie. Und wir engagieren uns weltweit für verfolgte Künstler - nachhaltig, indem wir immer wieder neu intervenieren.

Frage: Was wünschen Sie sich für die Nachfolge?

Antwort: Erst einmal wünsche ich mir, dass nach 300 Jahren hier endlich mal eine Frau Präsidentin wird. Wir werden sehen, ob diese männerlastige Institution bereit ist, diesem Gedanken näherzutreten.

Frage: Ihre Mitglieder werden auf Lebenszeit gewählt, der Altersschnitt ist recht hoch. Brauchen Sie nicht jüngeren Nachwuchs?

Antwort: Seit neun Jahren versuche ich, hinter die Geheimnisse der Wahl neuer Mitglieder zu kommen. (lacht) Natürlich wünscht man sich immer mehr jüngere Leute. Ein closed shop ist auf Dauer nie produktiv, es braucht den Austausch zwischen den Generationen. Aber auch in einer Akademie geht es wie im normalen Leben zu: Es kommt die ganze Bandbreite zwischenmenschlicher Beziehungen zum Tragen.

Frage: Vorbehalte gegen Frauen?

Antwort: Nein, nicht grundsätzlich. Trotzdem sind die Männer immer noch in der Überzahl, auch wenn sich das Verhältnis in den letzten Jahren gebessert hat. Bei den angestellten Mitarbeitern ist es anders. In den Leitungsfunktionen sind die Frauen sogar schon in der Mehrzahl. Das ist ein gutes Signal.

Frage: Sie wollten anfangs gar nicht Präsident werden...

Antwort: Ja, weil ich wusste, wie viel Arbeit das ist. Wenn man es ordentlich machen will, muss man auf einen großen Teil seiner eigenen künstlerischen Arbeit verzichten. Und ein Freizeitpräsident wollte ich von vornherein nicht werden. Aber ich hatte einen Fehler gemacht. Es drohte damals die Situation, dass sich niemand bereiterklärt. Unter Kollegen hatte ich mal gesagt, wenn diese Lage eintritt, dann würde ich es notfalls machen. Da haben sie mich beim Wort genommen.

Frage: Bereut?

Antwort: Nein, ich gehe nicht im Zorn. Und das ist bei mir schon recht viel, weil ich immer mehr erwarte als eigentlich möglich ist. Manchmal war es nicht ganz einfach, die sechs verschiedenen Sektionen wie Literatur, Musik, Bildende Kunst ... zu einem gemeinsamen Projekt zusammenzubringen. Es war immer mein Ziel, dass es nicht am Schluss sechs Akademien gibt, sondern ein gemeinsames Auftreten auch nach außen.

Frage: Was machen Sie jetzt?

Antwort: Ich werde mich erschießen. Nein, im Ernst: Mein Terminkalender ist immer voller als voll, arbeitslos werde ich sicher nicht. Ich möchte mich auch wieder mehr um meinen Verlag in Heidelberg kümmern. Und mich weiter gegen verschiedene Zumutungen des Freihandelsabkommens TTIP engagieren. Meine Sorge ist eher, durchhalten zu können, solange ich noch etwas will. Und ich will noch sehr viel.

Frage: Was ist Ihr wichtigster Wunsch für die Akademie?

Antwort: Ich hoffe, dass sie weiter bereit ist, sich kulturpolitisch einzumischen. Man braucht damit nicht zu warten, bis man gefragt wird, sondern kann auch Antworten geben, die man für wichtig hält. Schließlich haben wir eine Bringschuld gegenüber der Öffentlichkeit, die sich so eine Institution leistet. Die Bürger müssen das Gefühl haben: Unsere Steuern sind da gut aufgehoben. Es gibt also kein einfaches Weiter-So, wir müssen immer wieder neu die Begründung liefern.

ZUR PERSON: Klaus Staeck, 1938 in Pulsnitz bei Dresden geboren, ist der bekannteste deutsche Plakatkünstler. Mit Postern wie "Die Reichen müssen noch reicher werden - deshalb CDU" oder "Alle reden vom Frieden. Wir nicht" sorgte er vor allem in den 70er Jahren für Aufsehen. In Heidelberg betreibt der studierte Rechtsanwalt mit der Edition Staeck einen der wichtigsten Verlage für Kunstbücher in Deutschland. 2006 wurde er zum Präsidenten der Akademie der Künste in Berlin gewählt und zweimal im Amt bestätigt.

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