Kriminalität an Schulen steigt Zahl der Straftaten 2017 um fast 10 Prozent gesunken

Berlin · Die gute Nachricht: Die Zahl der erfassten Straftaten ist 2017 so stark zurückgegangen wie seit fast 25 Jahren nicht. Die schlechte: Die Zahl der Gewaltverbrechen geht weniger stark zurück als etwa die der Diebstähle. Und die Zustände an den Schulen verschlechtern sich.

 Polizisten führen im Frankfurter Bahnhofsviertel einen verdächtigen Mann ab.

Polizisten führen im Frankfurter Bahnhofsviertel einen verdächtigen Mann ab.

Foto:  Fabian Sommer

Die Polizei hat 2017 in Deutschland fast zehn Prozent weniger Straftaten erfasst als im Vorjahr. Das berichtet die "Welt am Sonntag" und beruft sich auf die noch unveröffentlichte Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS).

So stark seien die Straftaten seit fast 25 Jahren nicht mehr zurückgegangen, heißt es. Die Kriminalität an Schulen in Deutschland nimmt dagegen nach jahrelangem Rückgang wieder zu. Frankfurt am Main liegt bei den erfassten Straftaten deutschlandweit wieder auf Platz eins.

Laut "Welt am Sonntag" weist die Statistik für 2017 insgesamt 5,76 Millionen Straftaten aus - das waren 9,6 Prozent oder rund 611 000 Taten weniger als 2016. Etwa ein Drittel aller Taten entfällt demnach - wie in den Vorjahren - auf Diebstähle: Es gab 2,09 Millionen Fälle, das ist ein Minus von 11,8 Prozent. Bei der gemeldeten Gewaltkriminalität wurde laut dem Bericht ein Rückgang um 2,4 Prozent auf rund 189 000 Fälle verzeichnet. Frankfurt am Main liegt bei den erfassten Straftaten deutschlandweit wieder auf Platz eins.

Die Übersicht will Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Innenministerkonferenz am 8. Mai vorstellen. Eine Ministeriumssprecherin bestätigte am Sonntag auf Anfrage die Tendenz, betonte aber, der Bericht liege nur in einer Entwurfsfassung vor, die noch mit den Ländern abgestimmt werden müsse.

"Die Zahlen gehen in die richtige Richtung", sagte der stellvertretende Unions-Fraktionschef Stephan Harbarth. "Dass wir die Innere Sicherheit zu einem Investitionsschwerpunkt im Bundeshaushalt gemacht haben, zahlt sich aus. Doch es ist noch zu früh, um von einem stabilen Trend sprechen zu können."

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, relativierte den Rückgang etwas. Mehr als die Hälfte des Straftatenrückgangs falle auf Verstöße gegen Aufenthaltsbestimmungen. Der Kriminologe Christian Pfeiffer verwies zudem auf die gesunkene Zahl von Gewalttaten in Flüchtlingsheimen, wo zuvor oft Feinde aus diversen Ländern aufeinandergetroffen seien. Inzwischen wirke es sich aus, dass viele Flüchtlinge Hoffnung schöpfen könnten.

Schon bekannt war, dass die Bürger 2017 gut ein Fünftel weniger Wohnungseinbrüche meldeten. Die Polizei erfasste insgesamt rund 117 000 versuchte und vollendete Wohnungseinbrüche, wie die Deutsche Presse-Agentur auf Grundlage der Kriminalstatistiken der Länder errechnete. Die Eigentümer hätten stark in die Sicherheit investiert und die Polizei habe den Druck auf Einbrecher erhöht, sagte Pfeiffer.

In Frankfurt am Main wurden 2017 rund 14 900 Straftaten pro 100 000 Einwohner erfasst. Es folgen Hannover (14 600 Straftaten) und Berlin (14 600). Im Vorjahr hatte Berlin noch auf dem ersten Platz gelegen, davor jahrelang Frankfurt. Alle 39 Städte mit mehr als 200 000 Einwohnern wurden ausgewertet. München ist demnach am sichersten.

Polizisten erschossen im vergangenen Jahr 15 Menschen bei Einsätzen in Deutschland, wie aus einer Umfrage unter den Innenministerien und Polizeibehörden der Bundesländer hervorgeht, über die die "Neue Osnabrücker Zeitung" berichtet. 40 weitere Menschen seien verletzt worden. Meistens hatten die Beamten nach Darstellung der Zeitung aus Notwehr oder zur Nothilfe gehandelt - weil sie ihr eigenes Leben retten oder Menschen in Lebensgefahr helfen mussten. Im Jahr 2016 hatten Polizisten 11 Menschen erschossen und 28 verletzt.

Die Zustände an deutschen Schulen haben sich nach jahrelangem Rückgang der Kriminalität wieder verschlechtert. Etliche Bundesländer registrierten für 2017 einen teils spürbaren Anstieg von Kriminalität und Gewalt, wie aus den Statistiken der Landeskriminalämter hervorgeht. Zu den Gründen gibt es noch keine Erklärung. Bundesweite Zahlen will das Bundeskriminalamt in einigen Wochen vorlegen. Unverändert sind die allermeisten Täter männlich und deutsch.

Der Anstieg der Schulstraftaten geht nach Angaben des Landeskriminalamtes Niedersachsen auch einher mit einem Anstieg der gesamten Jugendkriminalität im Jahr 2017. Nach zehnjährigem Rückgang nahm die Zahl minderjähriger Tatverdächtiger in dem Flächenland um vier Prozent zu, die Zahl tatverdächtiger Kinder stieg um 21 Prozent. Die Gründe will das LKA untersuchen. Auch für den Wiederanstieg der Kriminalität an Schulen gibt es noch keine Erklärung.

Wie der Kriminologe Christian Pfeiffer der Deutschen Presse-Agentur sagte, könnte der Anstieg an einem geänderten Anzeigeverhalten liegen. In Zeiten großer medialer Aufregung über Gewalttaten würden Straftaten häufiger angezeigt. Auch wenn Ausländer als Täter vermutet würden, sei die Anzeigebereitschaft statistisch erwiesenermaßen höher. Mit einer nach dem Flüchtlingszuzug gestiegenen Zahl ausländischer Schüler könne dies möglicherweise den Anstieg erklären.

Die "gefühlte Kriminalitätstemperatur" der Bevölkerung sei trotz der rückläufigen Zahlen angestiegen, sagte Pfeiffer. "Die Verunsicherung der Menschen ist gewachsen durch den Zustrom der Menschen aus fremden Kulturen." Das beruhige sich zwar mit der Zeit wieder, "wenn wir uns gewöhnen an die neue Lage". Zunächst einmal nehme die Bereitschaft zur Anzeige aber zu. "Da dürfte sich eine Diskrepanz entwickelt haben zwischen der objektiven Lage und dem, was die Menschen fühlen."

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