Tiere Wisent-Projekt nach Angriff auf Wanderin auf der Kippe

Siegen · Seit drei Jahren streift eine Wisent-Herde ohne Zaun durch das Rothaargebirge. Dann greift ein Tier eine Wanderin an und verletzt sie. Deshalb könnte dem Projekt das Ende drohen.

 Ein Wisent steht in der "Wisent-Wildnis", einem 20 Hektar großen, eingezäunten Areal im nordrehin-westfälischen Bad Berleburg.

Ein Wisent steht in der "Wisent-Wildnis", einem 20 Hektar großen, eingezäunten Areal im nordrehin-westfälischen Bad Berleburg.

Foto: Marius Becker/Symbolbild

Wisente gelten als bedrohte Tierart und sind vom Aussterben bedroht. Im Rothaargebirge in Nordrhein-Westfalen lebt seit drei Jahren eine Herde dieser Rinder-Art erstmals seit Jahrhunderten wieder in freier Wildbahn. Doch das europaweit beachtete Auswilderungsprojekt steht auf der Kippe.

Mit ihrem Angriff auf eine Wanderin hat eine Wisent-Kuh vor drei Wochen dem Artenschutz-Projekt möglicherweise den Todesstoß versetzt.

Das Tier fühlte sich vermutlich von einer Gruppe Wanderer mit einem Hund bedroht und wollte sein neugeborenes Kalb schützen. Die Frau wurde von dem Wisent in eine Böschung gedrückt und leicht verletzt.

An diesem Vorfall entzündet sich nun eine Diskussion um den Fortgang des Projektes. "Ich möchte nicht die Staatsanwaltschaft im Haus haben und Fragen beantworten müssen, warum ich nichts getan habe", sagt der Landrat des Hochsauerlandkreises, Karl Schneider (CDU). Er forderte "geeignete Maßnahmen", damit sich ein solches Zusammentreffen zwischen Mensch und Tier nicht wiederhole. Als "Ultima Ratio" müsse notfalls ein Zaun gezogen werden.

Doch den wird es nicht geben. "Ein Zaun widerspricht dem Ziel des Projekts, nämlich der Auswilderung", sagt der Landrat des benachbarten Kreises Siegen-Wittgenstein, Andreas Müller (SPD). Dann sei das Projekt gescheitert.

Die 100-prozentige Sicherheit, die Schneider fordere, könne es nicht geben, sagt auch der Sprecher des Projekt-Trägervereins Wisent-Welt-Wittgenstein in Bad Berleburg, Michael Emmrich. Ein Zaun nehme dem Projekt seinen Auswilderungs- und Artenschutz-Charakter: "Dann wäre das das x-te Gehege in Deutschland."

Der Siegener Landrat will die für das Projekt Verantwortlichen in vier Wochen an einen Tisch bringen, um über die Konsequenzen aus dem Angriff zu entscheiden. Er hofft, dass dem Verein und den Wisent-Experten noch eine Lösung einfällt. Bis dahin will er die Debatte beruhigen.

Das nordrhein-westfälische Umweltministerium in Düsseldorf, das die Wisent-Wiederansiedlung von Beginn an unterstützte, reagierte zurückhaltend auf die Querelen. Man biete an, auf Basis fachlicher und juristischer Einschätzungen mit den lokalen Verantwortlichen aktuelle Situationen zu analysieren und weitere Entwicklungsschritte zu beraten, teilte das Ministerium mit. Auch die Bezirksregierung in Arnsberg will die Vier-Wochen-Frist abwarten. Erst dann werde man die Situation einschätzen und bewerten.

Unterdessen streiten auch die Touristiker der Region über das Projekt. Während die Schmallenberger, in deren Wäldern die Frau angegriffen wurde, ihre grundsätzlichen Bedenken bestätigt sehen, habe der Tourismus in der gesamten Region von dem Interesse an dem Projekt profitiert, sagt Sauerland-Tourismus-Chef Thomas Weber.

Der Schmallenberger Bürgermeister rät ebenfalls zur Versachlichung. "Man muss den Vorfall ernst nehmen", sagt er. "Aber man muss auch sagen, dass es seit der Freisetzung Hunderte von ähnlichen Begegnungen zwischen Wanderern und Wisenten gegeben hat, die alle problemlos verlaufen sind."

Neben der aktuellen Debatte um die Sicherheit von Wanderern bedroht auch die Diskussion um sogenannte Schälschäden durch die Wisente in Privatwäldern das Projekt. Im September entscheidet das Oberlandesgericht in Hamm über die Klage mehrerer Waldbauern, die vor dem Landgericht ein Waldbetretungsverbot für die Tiere erstritten hatten, weil diese gerne die Rinde ihrer Buchen fressen.

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