Klimaschutz in Kenia Wie Afrika sauberen Strom produziert

Nairobi · Die langanhaltende Dürre in Ostafrika hat Millionen Flüchtlinge produziert. Ernten fielen aus, Vieh musste notgeschlachtet werden. Gleichzeitig gilt es, auch in diesen Ländern eine klimafreundliche Energieversorgung ohne Treibhausgase auszubauen. In Kenia entstehen gerade zahlreiche Projekte zwischen Geothermie und Biogas.

Weiße Dampfsäulen zischen aus dem Basaltgestein und winden sich wie müde Riesen. Ihre unbeständigen Formen verlieren sich vor einem marineblauen Himmel. Bizarre Gesteinsformationen strecken sich aus der kargen Szenerie, Giraffen und Zebras streifen durch eine Landschaft aus roter Erde und tiefgrünem Bewuchs. Darüber liegt der bleierne Geruch von Schwefel in der Luft, ein durchdringender Gestank nach faulen Eiern. Ein hölzernes Schild markiert den Eingang zu einem Park südlich des Naivashasees in Kenia, der den klingenden Namen „Hell’s Gate” trägt.

Hier, am Tor zur Hölle, liegt zu Füßen erloschener Vulkane das Kraftwerk Olkaria, das sauberen Strom für das ostafrikanische Land produziert. Etwa zwei Autostunden nordwestlich der Hauptstadt Nairobi haben Ingenieure Hunderte Bohrlöcher in die Erdkruste getrieben, aus denen 300 Grad heißes Wasser und Wasserdampf durch baumstammdicke Rohre in die Höhe schießen und Turbinen zur Energieerzeugung antreiben. Ein weit verzweigtes Netz kilometerlanger Leitungen durchzieht weite Teile des Naturparks. Das Kraftwerk ist ein Symbol für Kenias Hoffnung, es mit erneuerbaren Energien zu mehr Fortschritt und Wohlstand zu bringen.

Die Bedingungen dafür sind gut. Kenia gilt als Vorreiter in der Nutzung erneuerbarer Energien für die Stromerzeugung. Reichlich Sonnenschein befeuert die Solaranlagen, im Norden liefern Windräder grünen Strom. 38 Prozent der Elek-trizität stammen aus Wasserkraft, die inzwischen von der Geothermie (46 Prozent) überholt wurde. Mehr als 80 Prozent seines Strombedarfs schöpft das Land inzwischen aus erneuerbaren Energien.

Es sind Zahlen, die auch die Weltgemeinschaft hoffen lassen, denn in Afrika und anderen Entwicklungsländern weltweit könnte sich entscheiden, ob der Kampf gegen den Klimawandel gelingt oder scheitert. Eine Hoffnung, die Bundesentwicklungsminister Gerd Müller ebenfalls teilt. „Afrika könnte sich vor allen anderen vollständig durch erneuerbare Energien versorgen und so auf die Nutzung fossiler Brennstoffe verzichten”, sagte der CSU-Politiker in einem Gespräch zu Beginn der UN-Klimakonferenz in Bonn. Die Sorge ist groß, dass Schwellen- und Entwicklungsländer auf dem Weg ihrer Industrialisierung dem Vorbild Chinas folgen, dessen wachsender Wohlstand zuletzt vor allem auf der klimaschädlichen Kohleverbrennung basierte.

Das Reich der Mitte, das inzwischen der größte CO2-Emittent der Welt ist, steuert jedoch massiv um und investiert in alternative Energiequellen und in die klimaneutrale Atomkraft. Diesen Entwicklungspfad sollen Afrikas Länder möglichst nicht gehen, weshalb Deutsch-land verstärkt klimafreundliche Projekte auf dem Kontinent fördert. „Wir brauchen Wohlstand in diesen Ländern“, sagt Müller, „aber wenn sie ihn so schaffen wie China und wir zuvor, dann ist es mit dem Kampf gegen den Klimawandel vorbei.“

Dabei sind Länder wie Kenia auf diesen Kampf angewiesen, denn der Klimawandel macht den 45 Millionen Einwohnern dort besonders zu schaffen. Anhaltende Dürreperioden, wie sie Kenia derzeit wieder erlebt, plagen das Land und lassen Ernten ausfallen und Viehherden verenden. Es ist ein Schicksal, das andere afrikanische Nationen teilen. So etwa Äthiopien, wo es in Landesteilen seit drei Jahren nicht mehr geregnet hat. Oder Mauretanien, wo von der einen Seite der steigende Meeresspiegel und Fluten auf die bevölkerte Küste drücken und sich von der anderen Seite die wachsende Wüste auf die Städte zubewegt. Bedingungen, die den Menschen dort die Lebensgrundlage entziehen. „Die alten Menschen sterben und die jungen Menschen flüchten“, sagt Müller.

In Kenia sind die Bedingungen für Geothermie besonders gut

In Kenia sorgt die Trockenheit zudem dafür, dass Wasserkraftwerke ausfallen oder weniger Strom produzieren. Dann werden im Land die Dieselgeneratoren angeworfen, die schmutzigen und zudem teuren Strom produzieren. Während die Stromerzeugung durch Erdwärme zwei US-Cent je Kilowattstunde kostet, liegt der Preis bei den Dieselaggregaten zehnmal höher. Geothermie ist für äußere Umwelteinflüsse dagegen weitgehend unanfällig. Bekannt ist sie bislang vor allem auf Island. Das Land im kalten Norden deckt zwei Drittel seines Energiebedarfs damit. Selbst Straßen und Gehsteige werden so geheizt.

Auch in Kenia ist das Geothermie-Potenzial riesengroß. „Wir stehen bei der Nutzung von Geothermie weltweit auf Platz 7 und wollen es in 10 bis 15 Jahren bis an die Spitze schaffen“, sagt Reuben Langat, leitender Ingenieur beim halbstaatlichen Stromerzeuger Kengen. Vier Standorte gibt es in Olkaria, die zusammen auf eine Kapazität von 660 Megawatt kommen. Ein fünftes Werk befindet sich im Aufbau. Experten schätzen das Potenzial, das im kenianischen Erdreich schlummert und sich auf 23 Standorte verteilt, auf gigantische 10 000 Megawatt – was in etwa der Leistung von sieben mittelgroßen Atomkraftwerken entspricht.

Zugute kommt dem Land seine geografische Lage. Durch Kenia verläuft der Ostafrikanische Grabenbruch. „Diese Region ist vulkanisch aktiv und die Voraussetzungen für geothermische Nutzung deshalb besonders gut“, sagt Langat. Während andernorts bis zu zehn Kilometer weit gebohrt werden muss, erreicht das Langat-Team die heißen Quellen bereits in einer Tiefe von zwei bis drei Kilometern.

Ganz unproblematisch ist die Energiegewinnung aus der Tiefe dennoch nicht, denn die Suche nach Standorten verschlingt viel Geld. Bis zu sieben Millionen Euro kostet eine Bohrung, „doch nur jede dritte ist erfolgreich“, sagt Langat. Allein die Erweiterung zweier Standorte kostete eine Milliarde Euro. „Das Einstiegsrisiko ist hoch und schreckt Investoren ab“, sagt Klaus Liebig, Direktor der deutschen Entwicklungsbank KfW in Nairobi. Geld aus Deutschland soll helfen, dieses Risiko zu dämpfen. Seit 20 Jahren unterstützt die Bundesrepublik Kenia beim Ausbau der Geothermie. Für die Erschließung eines neuen Feldes stellt die KfW 80 Millionen Euro als Darlehen zur Verfügung. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat weitere 100 Millionen Euro zugesagt. Mehrere internationale Geldgeber fördern das Programm. Kenia gewinnt so nicht nur Energie, sondern auch Know-how.

Mangel und Idealismus machen erfinderisch

Allerdings wecken die Rohre, Turbinen, Bohrtürme und Stromleitungen in Olkaria nicht nur Begeisterung. Tier- und Naturschützer kritisieren die Zerstörung der Landschaft. Zudem mussten 150 Familien der traditionell lebenden Volksgruppe der Massai ihre Stammesgebiete verlassen, sie wurden zehn Kilometer entfernt neu angesiedelt. Den Tourismussektor erfreut der offensive Eingriff in das Landschaftsbild ebenfalls nicht, auch wenn der Stromerzeuger dort mit einer Poollandschaft und Schwefelbädern wirbt. Für Investoren wichtiger ist politische Stabilität. Die jüngsten Tumulte und Unregelmäßigkeiten bei den Präsidentschaftswahlen haben das Vertrauen in die politische Elite des Landes nicht gestärkt.

Trotz allem gilt Geothermie in Kenia als Erfolgsgeschichte, denn der Energiehunger steigt. Fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Erdgas müssen allerdings teuer importiert werden. Trotzdem plant die Regierung ein Kohlekraftwerk an der Küste, in Lamu. „Dieses Kraftwerk braucht Kenia nicht und wir hoffen, dass die Regierung vom Bau absieht“, sagt Liebig. Abgesehen davon fehlen Leitungen, um den Strom dorthin zu bringen, wo er gebraucht wird. Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung haben keinen Zugang zu Elektrizität, Ausfälle sind an der Tagesordnung.

Doch Mangel und Idealismus machen erfinderisch. Entlang von Feldern, auf denen Reis, Bananen und Ananas angebaut werden, führt eine schmale und staubige Straße ins Nirgendwo. In der Nähe eines braunen Flusses versteckt sich hinter einem Zaun die Fabrik des Ölproduzenten Olivado, die Avocados der umliegenden Farmer zu Öl verarbeitet. Deren Abfälle will Hannes Muntingh auf einer kleinen Anhöhe in elektrischen Strom verwandeln. Wo sich in Olkaria riesige Bohrer in das Erdreich schrauben, um Kenias Strommarkt zu revolutionieren, will der schlaksige 42-Jährige mit einer Biogasanlage die Revolution im Kleinen wagen. Während er sich die langen blonden Haare aus dem Gesicht streicht, führt er um einen von zwei in den Boden eingelassenen Behältern, in denen mit einem Zeltdach überspannt die Biomasse der Avocado-Abfälle vergärt.

3000 Kubikmeter Gas will Muntingh so pro Tag herstellen. Zwei Generatoren aus Deutschland sollen den Strombedarf der Fabrik decken und sie von der staatlichen Stromversorgung unabhängig machen. Ein alter Dieselgenerator in der Produktionshalle, der die häufigen Stromausfälle überbrückte, wird dadurch überflüssig. Das übrige Gas soll, komprimiert in Flaschen abgefüllt, verkauft werden. Zuvor musste der Abfall teuer entsorgt werden. Nun soll daraus das Äquivalent zu 286 000 Litern Diesel entstehen. „Ich bin eher Idealist als Geschäftsmann“, sagt Muntingh, der vor zehn Jahren als gelernter Gärtner aus Südafrika nach Kenia kam und dort erste Erfahrungen mit Biogasanlagen sammelte. „Seitdem lerne ich ständig dazu, es gibt immer wieder neue Herausforderungen.“

So müssen viele Geräte und Maschinen für die Anlage aus Übersee importiert werden. Passendes Zubehör ist in Kenia oft nicht erhältlich. Vor Ort fehlen meist Fachkräfte. Ein Kompressor, der den Druck in den Gärkammern aufrecht erhält, muss ständig überwacht werden, weil schon einmal das Textildach über dem ersten Behälter zusammenfiel. Doch am schwersten, sagt Muntingh, sei die Finanzierung gewesen. „Es war schwer, eine Bank zu finden, die uns Geld geben wollte“, sagt der Vater von zwei Kindern. „Dort hat man unser Vorhaben meist erst gar nicht verstanden.“ Kofinanziert durch Mittel des BMZ bekam Muntingh schließlich einen Kredit über 1,3 Millionen US-Dollar.

Nach Fertigstellung will Muntingh weitere Anlagen in Kenia bauen. „Ich glaube daran, dass wir unseren Kindern eine saubere Erde zurücklassen müssen und dass wir diese Welt besser machen können“, sagt Muntingh. „Das passiert jeden Tag und überall auf der Welt in vielen kleinen Schritten, und diese Biogasanlage ist einer davon.“

Hinweis: Die Recherchen in Kenia haben im Rahmen einer Pressereise von BMZ und KfW stattgefunden und wurden teilweise durch diese finanziert.

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