West-Berlin hofft auf Renaissance

Berlin · Früher galt der Kurfürstendamm als Sinnbild des glitzernden West-Berlin. Dann kamen Mauerbau und Mauerfall. Glamour und Geld wanderten erst nach West-Deutschland ab, später dann Richtung Berlin-Mitte. Nun hofft man am Kudamm wieder.

 Das Luxushotel Waldorf Astoria soll wieder Glanz nach West-Berlin bringen. Foto: Paul Zinken

Das Luxushotel Waldorf Astoria soll wieder Glanz nach West-Berlin bringen. Foto: Paul Zinken

Foto: DPA

Seit dem Mauerfall trauert das alte West-Berlin seinem verblassten Glanz hinterher. Alle paar Jahre ruft jemand das Comeback der Viertel um den Kurfürstendamm aus. So auch jetzt - und nicht ganz ohne Grund: Am 3. Januar eröffnet mit dem Waldorf Astoria ein Luxushotel mit internationalem Ruf und Namen, kürzlich lud ein neues Promi-Restaurant zum ersten Abend. Demnächst zieht eine Fotogalerie in den Westen und ein großer Hotel- und Einkaufskomplex wird derzeit komplett renoviert.

"Simply the West", schrieb das Lifestyle-Blatt "Max" unlängst und philosophierte über einen umgekehrten Mauerfall. Dabei präsentierte sich das glamouröseste Projekt der West-Renaissance mit einem Fehlstart. Das erste deutsche Waldorf Astoria Hotel sollte schon 2011 in einem 118 hohen Turm nahe dem Bahnhof Zoo Glanz verbreiten.

Von direkter Fünf-Sterne-Konkurrenz zum Adlon am Brandenburger Tor war die Rede. Immerhin offeriert das Luxushaus mit französischem Sterne-Koch eine Präsidentensuite samt Whirlpool im 31. Stock (12 000 Euro pro Nacht), außerdem beheizte Duschwände und Badezimmer-Spiegel mit Fernsehbild.

Der Eröffnungstermin musste mehrfach verschoben werden. Verzögerungen bei Großbauten sind die Berliner derzeit gewohnt und lassen sich nicht abschrecken. Luxus und der Blick über die Stadt lockten kürzlich Hunderte Berliner zur Besichtigungstour durchs Hotel.

Besser organisierte der Promi-Wirt Roland Mary die Geburt des neuen Restaurants "Grosz" am Kudamm, fern seines berühmten "Borchardts". Benannt ist es nach George Grosz, dem Großstadt-Künstler, der das Berlin der 20er Jahre bunt, schrill und obszön zeichnete. Eine Mischung aus Kaffeehaus, Restaurant und Bar schwebe ihm vor, sagte Mary. Anfang Dezember erschien die Berlin-Prominenz um den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit brav zur Premiere.

Mary könnte mit seinem "Grosz" im heruntergekommenen, mittleren Teil des Kudamms eine gute Nase beweisen. Wenn man den Klatschzeitungen glauben darf, leben in Charlottenburg inzwischen Schauspieler wie Christoph Waltz, Robert Stadlober, Alexandra Maria Lara oder David Kross.

Wowereit zog schon vor Jahren hierher. Menschen mit Geld schätzen die zum Teil riesigen Altbauwohnungen im klassischen Bürgerviertel Charlottenburg. Aber auch aus Villenvierteln wie Grunewald und Wannsee, wo schon in den vergangenen Jahren bekannte Namen aus dem Künstler- und Medienbereich auftauchten, erreicht man den Kudamm über die Autobahn in wenigen Minuten.

Weiteren Schub für den Westen bringt ein anderes Projekt. Das Bikini Haus, ein langer Gebäuderiegel mit Geschäften und Büros am Zoo, galt seit den 50er Jahren als Vorzeigebau der Architektur. Nach der Wende flohen die Mieter. Nun wurden viele Millionen investiert. Die Neueröffnung ist für 2013 geplant. Auch das frühere Prunkkino Zoo-Palast, derzeit eine hässliche Baustelle, soll 2014 wieder für die Berlinale zur Verfügung stehen.

Eingesessene West-Berliner hoffen, die Gegend um den Bahnhof Zoo - durch den neuen Hauptbahnhof zum Regionalhalt degradiert - könnte endlich wieder auferstehen. Gemeinsam sollen das Waldorf Astoria und das Bikini Haus Sex-Shops und Ein-Euro-Läden vertreiben.

Die Kulturszene könnte ihren Teil beitragen. Galeristen siedelten sich schon in den vergangenen Jahren an der Potsdamer Straße in Schöneberg an. Mitte ist kein Muss mehr. Das zeigt auch die renommierte Fotogalerie C/O. Der Mietvertrag im alten Postfuhramt in der Oranienburger Straße in Mitte läuft Ende des Jahres aus. Nur hundert Meter vom Bahnhof Zoo findet sie ihre neue Heimat im Amerika-Haus in der Hardenbergstraße.

Nur der Gastronom Mary sieht die Debatte um Niedergang und Wiederbelebung leidenschaftslos. Auf die Frage der Tageszeitung "B.Z." nach einer Renaissance des Kudamms antwortete Mary nur: "Das ist sicher ein schönes Klatschthema. Mich interessiert das eher nicht."

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