Zur Freiheit, zur Freizeit Weshalb immer mehr Menschen an Feiertagen festhalten

BONN · Buß- und Bettag, Weihnachten und Weiberfastnacht, Tag der Arbeit und Tag der Einheit: Weshalb immer mehr Menschen an Feiertagen festhalten, obwohl sie mit deren Sinn nur noch wenig anfangen können.

 Zeit für sich: Der Feiertag ist, fernab jeder religiösen Bedeutung, erst einmal ein Ruhetag, der sich beispielsweise gut eignet für einen Spaziergang im Bonner Hofgarten.

Zeit für sich: Der Feiertag ist, fernab jeder religiösen Bedeutung, erst einmal ein Ruhetag, der sich beispielsweise gut eignet für einen Spaziergang im Bonner Hofgarten.

Foto: Volker Lannert

Es gibt genug von ihnen: Weihnachten einen, zwei drei, Ostern einen, zwei, drei, Pfingsten zwei, gerade Allerheiligen und und und. Feiertage! Feiertage? Hand aufs Herz: Wann haben Sie zuletzt an einem Feiertag richtig gefeiert?

Nun ist das, genau genommen, auch gar nicht ihr ursprünglicher Sinn. Zunächst einmal hieß Feiertag nichts anderes als: Ruhe von der Arbeit haben, keiner Arbeit nachgehen. So etwas wie der verlängerte Feierabend eben. Käme ja auch keiner auf die Idee, jeden Abend zu feiern.

Insofern ist der Feiertag, fernab jeder religiösen Bedeutung, erst einmal ein Ruhetag. Darin dem Sonntag vergleichbar. "Am siebten Tage ruhte er". Schwupps, kommt die Bibel doch ins Spiel.

Und die erste Relativierung. Denn dieser Wochenfeiertag ist nur im christlichen Religionskreis der Sonntag. Die Juden feiern ihn als Sabbat - und sonntags, erster Arbeitstag, tagt dann das israelische Kabinett. Die Muslime begehen ihn am Freitag: Freitagsgebet - kennt jeder.

Doch, klar: 52 Wochenfeiertage im Jahr sind nicht genug. Also kamen neue hinzu, über die Jahrhunderte. Vor allem religiöse. Mit höchst unterschiedlichem Bekanntheitsgrad. Ostern können noch die meisten erklären, Weihnachten auch, Pfingsten wird's schon schwieriger. Nach einer Umfrage des christlichen Monatsmagazins "chrismon" wissen nur noch 56 Prozent der Befragten die Bedeutung dieses Festes zu erklären.

"Christi Himmelfahrt" wiederum versteht jeder, am Reformationstag sieht es dagegen düsterer aus. Auch wenn zu überlegen wäre, ob man den 500. Jahrestag des Lutherschen Thesenanschlags nicht zu einem Feiertag erklären sollte. So als Einmalfeiertag 2017.

Aber immerhin führt der Reformationstag noch mit vier Punkten Bekanntheitsgrad vor Halloween, dem "Fest" am Vorabend des Allerheiligentages, das insbesondere bei Kindern bald in der Spitzengruppe der Feiertage liegt - und immer mehr Menschen ob durch Eierwürfe verdreckter Hausfassaden verärgert.

Es gibt neun bundeseinheitliche Feiertage, davon kaum weltliche: den Tag der Arbeit, den Tag der Einheit. Und es gibt jede Menge zusätzlicher in einzelnen Bundesländern oder Landstrichen. Die Bayern sind auch hier Spitze. In Augsburg haben sie sogar fünf Tage mehr "frei" als in jedem anderen Bundesland.

Das Rheinland hier ausnahmsweise mal nicht gerechnet. Denn es gibt auch inoffizielle Feiertage. Nein, nicht der Montag, an dem mehr Menschen "blau" machen als an jedem anderen Wochentag. Aber die Feiertage der fünften Jahrestag sind quasi heilig: Weiberfastnacht und Rosenmontag. Und für die Karnevalsprofis auch noch der Karnevalsdienstag, womit man dann Ostern, Weihnachten und Pfingsten noch überholt hätte.

Es gibt Feiertage, die man begehen muss, auch wenn man nichts zu feiern weiß: Weihnachten. Bescherung, Besuche. Ostern. Eiersuche immerhin. Für sechs von zehn Deutschen hat das Fest keine religiöse Bedeutung mehr. Nur 14 Prozent sagen, sie seien entschlossen, in die Kirche zu gehen.

Und es gibt Feiertage, die quasi Auslaufmodelle sind: der Buß- und Bettag etwa. Die meisten Feiertage sind also keine Tage, an denen gefeiert wird, sie sind allenfalls Gedenktage.

Für die Mehrheit aber sind sie längst ganz etwas Anderes: Zunächst einmal Besitzstand. Als es mal den Versuch gab, zwecks Ankurbelung der Wirtschaft, Erhöhung der Produktivität etc. den Pfingstmontag zu kippen, gab es Proteste aller Orten. Nicht nur von den Kirchen. Vor allem von den Gewerkschaften.

Deren Feiertag, der 1. Mai, ist auch keiner mehr. Vorbei die Zeiten, da das werktätige Volk in Scharen zu den Kundgebungen zog. Tag der Arbeit: Tag der Freizeit. Brüder, zur Sonne, zur Freiheit? Iwo! Brüder, zur Sonne, zur Freizeit!

Der Feiertag ist mittlerweile also vieles, nur das nicht mehr. Er ist ein freier Tag (nur nicht für Taxifahrer, Krankenschwestern, Service-Mitarbeiter, Polizisten und Journalisten - Auswahl unvollständig!). Er ist ein Hausarbeitstag für viele, die berufstätig sind und sonst "das bisschen Haushalt" nicht schaffen.

Er ist Hausputztag oder Heimwerkertag und zur Freude der Nachbarn immer öfter auch Rasenmähertag. Er ist in den meisten Fällen jedenfalls auch nicht mehr, was mancher Feiertag ganz bewusst sein wollte und sollte: ein stiller Feiertag.

Okay, das Tanzverbot an Karfreitag gibt's noch. Aber viel mehr ist nicht geblieben. Wer etwa an einem Feiertag die Stille von Maria Laach und des angrenzenden Laacher Sees sucht, der weiß, was ihm blüht: Der Strom der Spaziergänger wird beinahe zur Demonstration, Pardon, in Klosternähe: Prozession. Von Ruhe keine Spur.

Die Bedeutung der kirchlichen Feiertage nimmt also ab, ihre Nutzung zu. Weshalb es vermeintlich kluge Köpfe gab und gibt, die für eine Neuordnung der Feiertage plädieren, etwa in dem Sinne, dass man religionsfreie Tage kreiert. Über den Nationalfeiertag hinaus, den die Deutschen als solchen immer noch nicht haben.

Gut, es gibt schon einen Europatag, aber der geht im Alltag unter - es gibt ja gerade in der Krise auch nichts zu feiern. Aber Ideen wie einen Feiertag des Friedens, der Gerechtigkeit, der Liebe oder gar der erneuerbaren Energien zu schaffen, haben zumindest in Deutschland keine Chance auf Realisierung.

Der Deutsche liebt es heimelig, und so entleert er zwar die christlichen Feiertage ihrer Bedeutung, nicht aber der Emotionen drum herum. Gerade an Weihnachten. Die will er dann doch nicht missen: Süßer die Glöcklein nie klingen.

Und das ist überhaupt nicht kommerziell gemeint. Weshalb auch der Grünen-Vorschlag auf Einführung eines muslimischen Feiertages keine Chance hat. Ist den meisten doch zu fremd, obwohl ein solcher Tag, prozentual gesehen, sicher mehr "Mitfeiernde" fände als manch evangelische oder katholische Gedenktag.

Andere Länder, andere Sitten. Soviel Feiertage wie in Deutschland gibt's kaum auf der Welt. Aber raffinierte Ausgleichsmechanismen. Etwa in den USA mit ihrem Labour oder Independence Day, oder wie sie heißen mögen. Fällt in den Staaten ein Feiertag auf einen Samstag oder Sonntag, wird er auf den Freitag zurück- oder auf den Montag vorverlegt.

Und das hat durchaus kommerzielle Gründe: Denn Sonntag ist in den USA - Einkaufstag. Wo Christen in die Kirchen pilgern (wenn sie es noch tun), geht der Ami in die Mall. Nur Weihnachten und Thanksgiving, dieser Höhepunkt amerikanischer Feiertagskultur, bleiben diese Einkaufsmeilen dicht.

Zurück zur heimischen Feiertags-Un-Kultur. Was wäre ein Wochenfeiertag ohne einen Brückentag, hin zum Wochenendfeiertag, so dass Kurzferien entstehen! Ferien: der Plural von Feiertag. Die Kundigen unter ihnen wissen längst: Soviel Feiertag, soviel Brückenbau wie an diesem Jahresende war selten.

Bleibt die Frage, wohin das alles führen wird, mit dem Nicht-Feiern. Die moderne Antwort liegt auf der Hand: in die Flexibilisierung, in die Individualisierung. Womit wir denn, abseits der kirchlichen Hochfeste, bei den wahren Feiertagen wären, den spontanen, individuellen, den Glückstagen. Da gibt's dann auch was zu feiern!

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