Wahl zur Miss Abschied Wer ist die schönste Bestatterin Deutschlands?

Bonn · Zum zweiten Mal wählt ein Internetportal die „Miss Abschied“. Bei Branchenvertretern aus Bonn und Köln stößt das auf Unverständnis.

Miss Abschied 2016: Tatjana Greiner ist von einem Internetportal zu Deutschlands schönster Bestatterin gekürt worden.

Miss Abschied 2016: Tatjana Greiner ist von einem Internetportal zu Deutschlands schönster Bestatterin gekürt worden.

Foto: obs

Im ersten Moment denkt man (und spricht es womöglich auch aus): „Wie bitte???“ Im zweiten Moment liest man weiter und glaubt schließlich, dass die Nachricht kein in den September gerutschter Aprilscherz ist: Deutschland hat soeben seine „Miss Abschied 2016“ erhalten. Gekürt wurde sie – wie schon im Jahr davor – vom Netzportal „www.bestatter-preisvergleich.de“.

Und zwar bereits zum zweiten Mal: Im vergangenen Jahr wurde zum ersten Mal einer Mitarbeiterin im Bestattungswesen eine Miss-Krone aufgesetzt – die 37-jährige Rahel Merks aus dem schwäbischen Lauchheim erklärte damals gegenüber N-TV: „Es ist eine super Sache, mal das triste Tabuthema in ein anderes Licht zu rücken.“

Beim ersten Mal stellten sich 47 Bestatterinnen zur Wahl. Beim zweiten Mal waren es 75 – an sattraktivem weiblichen Nachwuchs, der die „Miss Abschied“-Krone gerne hätte, mangelt es offenkundig nicht.

Die diesjährige „Miss Abschied“ sieht ihre Teilnahme ähnlich wie die erste: „Der Titel ist eine Chance, eine neue Sicht auf den Beruf des Bestatters und vor allem die Menschen in diesem Beruf zu eröffnen.“

Nur – welche Sicht ist das? Für Hans-Joachim Möller, Geschäftsführer des Verbands unabhängiger Bestatter, keine wirklich gute: „Ein derartiger Wettbewerb zieht das ganze Thema Sterben und Trauer ins Lächerliche.“ Was nicht bedeute, dass man sich in seinem Gewerbe nicht der Moderne und dem vielzitierten Zeitgeist öffnen wolle: „Ich bin gerade im niederländischen Gorinchem auf einer internationalen Bestattermesse“, erzählt Möller. „Dort sieht man, wie sehr sich die Branche modernisiert.“

Zwischen zeitgemäßen Bestattungen und einer „Miss Abschied“-Wahl macht Möller indes einen klaren Unterschied: „Die Misswahl banalisiert ein sensibles Geschäft. Das ist ein Werbe-Gag, auf den dann auch viele anspringen, weil er skurril ist. Aber Ich finde, da wird eine Grenze verletzt.“

Nicht anders sieht das der Bonner Bestattungsunternehmer Werner Kentrup: „Bei einem Schreinner mag es auch um die Kunstfähigkeit des Schreiners gehen, aber im Bestattungswesen geht es nicht um uns – es geht nicht um den Bestatter, sondern um die Menschen, die Angehörigen.“ Eine „Miss Abschied“ zu küren – „das geht gar nicht“, findet Kentrup. „Es gibt auch bei uns hübsche Mitarbeiterinnen – übrigens auch gut aussehende Mitarbeiter. Von mir aus können die Damen und Herren bei allen möglichen Miss-Wahlen teilnehmen. Aber eine ,Miss Abschied' ist einfach geschmacklos.“

Nun kann man auch beim Thema Bestattungen durchaus Provokationen zulassen – findet jedenfalls Christoph Kuckelkorn. Der Kölner Bestattungsunternehmer verbindet Trauer und Humor sozusagen in seiner Person: Er ist Vizepräsident im Festkomitee Kölner Karneval und seit 2005 Leiter des Kölner Rosenmontagszuges. „Ich bin immer dafür, mit Tabus zu brechen“, sagt Kuckelkorn, „auch bei Tod und Trauer. Und es ist doch klar, dass in unserer Branche ganz normale Menschen arbeiten – allerdings unter außergewöhnlichen Umständen, die dann auch ein bisschen mehr Sensibilität verdienen.“

In Ordnung findet Kuckelkorn deshalb, „wenn ein Bestatter zum Beispiel zum Probeliegen einlädt – das klingt erst einmal grotesk, aber die haptische, fühlbare Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit finde ich sinnvoll – das kann sogar etwas therapeutisches haben.“ Zur „Miss Abschied“ dagegen – „von dieser Wahl habe ich bisher noch gar nicht gewusst“ – hat er eine klare Meinung: „Nicht witzig.“

Rein dem Marketing in eigener Sache verpflichtet ist offenbar der Portalbetreiber und „Miss-Wahl-Organisator Markus Pohl: „Wir wollen zeigen, dass auch der Bestatter-Beruf attraktiv ist.“ Die Jury setze sich aus Vertretern des Bestattergewerbes und angrenzender Branchen zusammen. Und: die „Miss Abschied 2016“ habe nicht nur durch äußere Attraktivität, sondern auch „durch ihre inneren Werte überzeugt.

Die aktuelle Miss ist jedenfalls mit Engagement bei der Sache: „Schon als Zehnjährige“, verkündet Greiner, „habe ich Särge ausgeschlagen und Kreuze beschriftet.“ Und jetzt hat sie auch noch einen Titel.

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