Nostradamus Vor 450 Jahren starb der düstere Prophet

Frankfurt am Main · Ein Gestrüpp aus tausend Deutungen: Die Prophezeiungen des Nostradamus faszinieren Esoteriker bis heute. Vor 450 Jahren starb Michel de Nostredame. Schon in der Schule nannte man ihn den „kleinen Sternengucker“.

Nostradamus: Vor 450 Jahren starb der düstere Prophet
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Der Mittlere Osten wird „brennen“. Ein Chemie-Unfall mit giftigen Dämpfen und zahllosen Toten wird sich von der Schweiz aus über Europa ausbreiten, die Stadt Genf wird „in Tränen und Verzweiflung sieben Stunden lang schreien“. In Amerika gelangt eine „falsche Trompete“ mit einem „blutigen Mund“ an die Macht, der Vesuv bricht wieder aus ... alles Prophezeiungen für das Jahr 2016, dieNostradamus zugeschrieben werden. Besonders in Krisenzeiten haben seine dunklen Vorhersagen Hochkonjunktur. Michel de Nostredame (1503-1566), der sich Nostradamus nannte, bedient virtuos die Ängste verunsicherter Menschen. Vor 450 Jahren, am 2. Juli 1566, starb er im französischen Salon-de-Provence.

Zwar sind seine Vorhersagen bis zur Unkenntlichkeit verschlüsselt, so dass sich jeder das herauslesen kann, was er will. Und von den ganz wenigen exakt datierten Prophezeiungen ist keine einzige eingetroffen. Aber der dunkel raunende Guru aus der Renaissance gilt vielen bis heute als mystischer Deuter der Weltgeschichte.

Schon in der Schule nannte man Michel den „kleinen Sterngucker“

1503 kam er in der südfranzösischen Provence zur Welt, in eine Familie gebildeter Getreidehändler. Seine Vorfahren waren getaufte Juden. Er studierte Medizin in Avignon und Montpellier, wo bereits Leichen seziert wurden, ging dann auf Wanderschaft, wie es üblich war. Als Pestarzt hatte er in Narbonne, Carcassonne und Toulouse Erfolg mit Wunderpillen - und mit intelligenten Ratschlägen: „Trinkt nur abgekochtes Wasser! Nehmt Reinigungsbäder! Und verbrennt eure Pesttoten außerhalb der Städte!“.

Er ließ sich in dem provenzalischen Städtchen Salon nieder. Mit seinem guten Riecher für die Bedürfnisse des Publikums publizierte er kosmetische Ratgeber und Rezepte für Liebestränke, entwickelte „Lebenselixiere“ und eine betörende Quittenmarmelade. Und Nostradamus schrieb „Almanache“ für Bauern und Handwerker, wie sie zu jener Zeit außerordentlich beliebt waren. Dazu gehörten Kalender, Wettervorhersagen, Informationen über Himmelszeichen wie Kometen und Mondfinsternisse.

Gleichzeitig bildete er sich in Astronomie, Astrologie und magischen Praktiken weiter - und versuchte sich zusehends als Prophet darzustellen, der nachts beim Betrachten der Sterne göttliche Inspirationen empfing. „Ich sehe wie in einem brennenden Spiegel“, soll er zu Freunden gesagt haben, „wie durch umnebelte Visionen“. Und er berichtete von „ungeheuerlichen und unheilbringenden Geschehnissen“.

Nostradamus wird berühmt, soll es bis zum Leibarzt des französischen König Karls IX. gebracht haben. Seine „Centuries“ finden reißenden Absatz. Es handelt sich dabei um eine großangelegte Sammlung von Prophezeiungen. „Centuries“ deshalb, weil die einzelnen Bände jeweils 100 vierzeilige Strophen umfassen. Nostradamus erhebt einen maßlosen Anspruch: „Fortwährende Weissagungen von jetzt an bis zum Jahre 3.797“ will er vorlegen.

Schon bald kursieren zahllose Plagiate

Schon bald kursieren zahllose Plagiate. Geschäftemacher bringen unter seinem Namen Fälschungen in Umlauf. Kritik und Skepsis wird schon zu Lebzeiten Nostradamus' laut. „Wie geschickt ist dieser Nostradamus“, heißt es 1560 in anglikanischen Kreisen Londons, „der seine Prophezeiungen in derart undurchdringliche und dunkle Wendungen einwickelte, dass niemand einen Sinn oder ein rechtes Verstehen daraus ziehen konnte“.

Das ist das Problem bis heute. Eine zuverlässige Wiedergabe, geschweige denn eine wirklich überzeugende Deutung der Texte ist nahezu unmöglich. Dazu sind die Verse viel zu verschlüsselt. Was noch dazu kommt: Eine gehetzte, oft nur andeutende Sprache. Wortspiele, bei denen ein Wort von hinten gelesen wird oder Silben ausgetauscht werden. Anspielungen auf die griechisch-römische Götterwelt, hinter der sich zeitgenössische Herrscher und Politiker verbergen.

Was die Prophetengläubigen wenig stört: Jeder deutet die „Prophezeiungen“ so, wie er möchte. Aus dem beiNostradamus genannten Fluss „Hister“ - ein alter Name für die Donau - wird ein Hinweis auf Adolf Hitler gemacht. Ein „in der Nähe Italiens“ geborener Kaiser, der vom einfachen Soldaten zum Imperator aufsteigt, wird als Napoleon interpretiert - obwohl Nostradamusgenauso gut die Karriere römischer Soldatenkaiser gemeint haben kann.

Vor fast 500 Jahren hat er in den Augen einigerNostradamus-Deuter selbst das moderne HI-Virus vorausgesehen, das Mal auf Gorbatschows Stirn - und die lange Regentschaft und Abwahl des deutschen Kanzlers Helmut Kohl: „der große Hintern wird in den Rhein gestürzt“.

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