US-Medienberichte Teenager lassen Mann ertrinken - und lachen darüber

Cocoa · Es ist ein Fall, der sprachlos macht: Eine Gruppe von Teenagern in Florida ließ einen Mann in einem Teich ertrinken. Sie filmten das Geschehen und machten sich über den Sterbenden lustig. Danach posteten sie die Aufnahme auf Facebook.

 Das Blaulicht eines Polizeifahrzeugs. In den USA sollen Teenager tatenlos zugesehen haben, wie ein Mann in einem Teich ertrank.

Das Blaulicht eines Polizeifahrzeugs. In den USA sollen Teenager tatenlos zugesehen haben, wie ein Mann in einem Teich ertrank.

Foto: Friso Gentsch/Archiv

Gaffer, die nach Verkehrsunfällen Einsatzkräfte behindern und sich an der Tragik anderer ergötzen. Passanten, die tatenlos zuschauen oder einfach wegsehen, wenn vor ihren Augen ein Mensch in Not gerät oder gar um sein Leben kämpft. Beispiele für kollektiven Empathieverlust gibt es – auch in den USA – nahezu jeden Tag. Aber kein Fall hat zuletzt so viel Empörung ausgelöst, wie der Tod von Jamal Dunn.

Der 31-jährige Afroamerikaner ertrank am 9. Juli in einem großen Teich in Cocoa im Bundesstaat Florida. Fünf Teenager, zwischen 14 und 18 Jahre alt, saßen am Ufer, sahen zu, kifften, lachten, beschimpften und filmten den mehrfach um Hilfe schreienden Gehbehinderten. Bis er unterging. Danach stellen sie das zweieinhalb Minuten lange Handyvideo ins Internet.

Nachdem der Vater zweier Töchter (elf und sechs) schon fünf Tage im Wasser trieb, entdeckten Angehörige das nur schwer zu ertragende Dokument der Verrohung. Sie fordern eine empfindliche Strafe. „Wenn die als Jugendliche mit ansehen können, wie jemand vor ihren Augen stirbt, stellt euch vor, was sie tun werden, wenn sie älter werden“, sagte Simone McIntosh, die Schwester des Opfers, Lokalzeitungen der 18 000-Einwohner-Stadt in der Nähe von Orlando. Die Teenager zur Rechenschaft zu ziehen, die laut Polizei bei ihren ersten Vernehmungen wenig bis keine Reue zeigten, wird aber nicht einfach. Sie haben de facto keine Straftat begangen.

Florida gehört zu den vielen US-Bundesstaaten, die nicht kennen, was etwa in Deutschland Paragraf 323c des Strafgesetzbuches „mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft“: unterlassene Hilfeleistung in „Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not, obwohl dies erforderlich und den Umständen nach zuzumuten ist“.

Im Fall Jamal Dunn wäre es ein Leichtes gewesen, ihn vor dem Tod zu bewahren, sagen Ermittler. Ein Anruf unter 911, der Polizei-Notrufnummer. Ein gemeinsamer Rettungsversuch. Stattdessen: „Niemand wird Dir zur Hilfe kommen, Du blödes Miststück.“ – „Du hättest da eben nicht reingehen sollen.“ – „Jetzt ist er gestorben.“

Es sind diese Sätze, durchsetzt mit Lachern, die man beim Ansehen des Videos hört und die Henry Parrish III zur Verzweiflung bringen. „Es gibt keine Worte für die Gewissenlosigkeit dieser jungen Menschen“, sagte Cocoas Bürgermeister. Er sprach von einem „isolierten Akt unsäglicher Unmenschlichkeit“ und stellte sich hinter Bezirksstaatsanwalt Phil Archer, der die Jugendlichen über einen Umweg – mit Haftstrafen bis zu einem Jahr – doch noch zur Verantwortung zu ziehen versucht. „Es gibt ein wenig bekanntes Gesetz in Florida, das vorschreibt, der Polizei einen Todesfall zu melden. Das haben diese Teenager nicht getan“, sagt Polizeisprecher Yvonne Martinez.

Nach den Ursachen für das nicht vorhandene Mitgefühl der Teenager befragt, sagte die Psychologin Vicki Panaccione, dass Kinder und Jugendliche auch durch das Internet mit Gewalt, Aggression und Leid „bombardiert“ würden. „Das desensibilisiert.“ Ihr Kollege Laurence Miller sieht in dem Fall eine besondere Form von „Sadismus“ und „Kaltblütigkeit“. Eltern müssten dies zum Anlass nehmen, ihre Kinder gegen Grausamkeit zu immunisieren.

Dabei ist das Phänomen des Zuschauereffekts nicht neu. John Darley und Bibb Latané, zwei New Yorker Psychologen, beschrieben schon vor 50 Jahren das „Genovese-Syndrom“. Dabei ging es um den Fall der Kitty Genovese, einer jungen Frau, die 1964 in New York ermordet worden war. 38 Nachbarn und Passanten, schrieb die „New York Times“, sollen beobachtet haben, wie der Täter Winston Moseley auf Genovese einstach, zwischendurch von ihr abließ und die Halbtote dann erneut attackierte. 40 Minuten dauerte das Martyrium. Niemand half.

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