Brauchtum Sturm "Röschen" bringt Karneval durcheinander

Köln/Düsseldorf/Mainz · Pustekuchen an Rosenmontag: Wegen des Sturmtiefs "Ruzica" ist in vielen Karnevalshochburgen der Höhepunkt der närrischen Jahreszeit ausgefallen. Die Kölner trotzen der Witterung und ziehen am Abend eine positive Bilanz.

 Clueso (M) feiert Rosenmontag in Köln.

Clueso (M) feiert Rosenmontag in Köln.

Foto: Rolf Vennenbernd

Sturmtief "Ruzica" hat vielen Narren an Rosenmontag erstmals seit 25 Jahren einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aus Sorge vor orkanartigen Böen haben Hochburgen wie Düsseldorf und Mainz die traditionellen Umzüge schweren Herzens abgesagt.

Dagegen setzte sich in Köln pünktlich um 10.00 Uhr der größte deutsche Karnevalszug in Bewegung, allerdings ohne die sonst üblichen 500 Pferde. Die Jecken wurden vom Wetter belohnt: Der Regen hörte zunächst auf, die Sonne kam durch.

Die Kölner Organisatoren werteten den Rosenmontagszug am Abend als vollen Erfolg. Unter blauem Himmel hatte sich der Zug am Mittag durch die engen Straßen der Kölner Innenstadt geschlängelt. Die Wagen trotz der Sturmwarnung mit einigen Einschränkungen durch die Domstadt rollen zu lassen, sei richtig gewesen, sagte Zugleiter Christoph Kuckelkorn. Stadtdirektor Guido Kahlen sagte, die Kölner Umzugswagen seien "auf deutlich mehr Ballast konzipiert" und daher nicht so windanfällig.

Nach Angaben des Kölner Polizeipräsidenten Jürgen Mathies waren über den Tag hinweg insgesamt 1850 Beamte im Einsatz. "Das Konzept des konsequenten Eingreifens hat sich meines Erachtens wirklich bewährt."

Neben Düsseldorf und Mainz hatte auch eine Reihe weiterer Städte ihre Züge wegen "Ruzica" (Röschen) abgesagt. In der Mainzer Innenstadt zogen kleinere Gruppen mit verkleideten Fastnachtern umher, einige riefen "Helau!" In Kneipen war aber zunächst wenig los. Die schwäbischen Narren im Südwesten feierten vom Wetter weitgehend ungestört.

Die "zuglosen" Düsseldorfer konnten sich vor dem Rathaus die Wagen zumindest ansehen. Sie sind seit Jahren für ihre satirische Schärfe berühmt. Auch diesmal blieb Figurengestalter Jacques Tilly (52) seinem Ruf treu. So thematisierte ein Wagen die Übergriffe in der Kölner Silvesternacht: Eine Frau hat zwei Männer an einer Silvesterrakete festgebunden und schießt sie geradewegs zum Mond. "So schön wird das nächste Silvester", heißt es dazu. Auf einem anderen Wagen wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem kleinen Boot von einer "Flüchtlingswelle" erfasst und umgeworfen.

Aus mehreren Städten wurden Überlegungen zu Nachholterminen für die Umzüge laut. Vertreter des Bundes Deutscher Karneval (BDK) sehen das skeptisch. "Es gibt grundsätzlich die Regelung, dass außerhalb der Fastnachtszeit keine karnevalistischen Veranstaltungen stattfinden sollen", sagte der Vizepräsident des BDK, Peter Krawietz, in Mainz. Das Fest sei "eingebettet in den christlichen Jahreskreis" und finde - wie der Begriff "Fastnacht" zeige - unmittelbar vor der Fastenzeit statt. "So bitter es ist, man kann nicht sagen, aus irgendeinem Grund fällt Weihnachten aus, also holen wir das irgendwann nach."

Die abgesagten Umzüge drücken nicht nur auf die Stimmung, sondern womöglich auch auf den Geldbeutel. Der Präsident des BDK, Volker Wagner, sagte der "Rheinischen Post" (Dienstag): "Es geht um Sponsoren, die jetzt ihr Geld zurückverlangen könnten. Nicht alle Zugteilnehmer sind gegen einen Ausfall versichert."

Unterschiedliche Meinungen gab es von Experten mit Blick auf die Absagen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte für den Morgen vor Windstärke 8 bis 9 gewarnt. Später seien Böen mit Windstärke 10 zu erwarten. "Absage #Düsseldorf - für mich ein Rätsel", twitterte ARD-Meteorologe Karsten Schwanke. Die stärksten Böen seien erst am Nachmittag oder Abend zu erwarten.

Wetter-Fachmann Jörg Kachelmann schlug eher warnende Töne an. Es gebe zwar eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass alles gut gehe, aber eben auch das Risiko eines "Tornados in Düsseldorf mit Toten". Damit steht für Kachelmann fest: "Für die Durchführung braucht man bei dieser Ausgangslage sehr viel Gottvertrauen oder die Überzeugung: Et hätt noch immer jot jejange."

Nach der Aufregung um eine Panzerattrappe mit der Aufschrift "Ilmtaler Asylabwehr" beim Faschingsumzug im oberbayerischen Reichertshausen ermittelt nun die Staatsanwaltschaft, wie ein Sprecher in Ingolstadt sagte. Die Staatsanwaltschaft muss herausfinden, ob es sich bei dem Wagen mit dem Schriftzug "Asylpaket III" um Volksverhetzung handelt. Der Veranstalter entschuldigte sich inzwischen und sprach von Unachtsamkeit. Auch ein Motivwagen mit den Aufschriften "Balkan-Express" und "Die Plage kommt" beim Karnevalsumzug im thüringischen Wasungen beschäftigt die Staatsanwaltschaft.

Die Polizeibehörden hatten in allen Karnevalshochburgen ihre Kräfte verstärkt. Sie reagierten damit auf Terrorgefahren und die Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht in Köln.

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