Sommervergnügen mit Eis So funktioniert das Geschäft mit den Eiswagen

Bonn/Hannover · Das Geschäft mit den Eiswagen wird vom Wetter bestimmt – und überlebt nur mit Mut für neue Ideen. In Bonn können Guiseppe und Rosario Granatella als Besitzer von sechs Eiswagen nicht klagen.

 Ein Verkäufer bereitet am Maschsee in Hannover in seinem Eiswagen ein Eis zu. Über einen Mangel an Kundschaft kann er nicht klagen.

Ein Verkäufer bereitet am Maschsee in Hannover in seinem Eiswagen ein Eis zu. Über einen Mangel an Kundschaft kann er nicht klagen.

Foto: dpa

In diesem Sommer ist das Plötzliche ja nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Wenn es heiß wird, dann plötzlich. Als Erstes reagiert der Hund und trägt auf einmal die Zunge draußen. Es folgt die Reaktion des Frauchens: Jacke auf, Jacke aus, der Blick nach vorn: Links schimmert schon der Anfang des Bonner Rheinauensees zwischen den Bäumen. Rechts oben dran vorbei, scharf rechts halten und weiter hinauf. Und da steht er, ganz sicher. Die Sonne ist immer sein Chef. Sie sagt: Ich komme, fahr los! Und der Eiswagen fährt.

Wenn es ihn denn noch gibt. In Bonn, in der Rheinaue, ist auf den weißen Wagen der Gebrüder Granatella bei Schönwetter Verlass. Sechs Eiswagen insgesamt haben laut Stadtverwaltung eine – jährlich zu erneuernde – Sondernutzungserlaubnis. Giuseppe und Rosario Granatella besitzen alleine fünf Eiswagen – und die fahren auch in die Nachbarstädte, zum Beispiel nach Köln.

Dort taucht der weiße Wagen mit dem Bonner Granatella-Schriftzug bei Firmenfeiern und anderen Veranstaltungen auf – gebucht nicht von der Sonne, sondern dem Unternehmen oder der Kommune, die zu welchem Anlass auch immer das Bonner Eis im Angebot haben wollen.

„Keine Sonne, keine Wärme – kein Geschäft“

Ein gutes Geschäft, ein wichtiges vor allem: „Wirklich lukrativ wird das Eiswagengeschäft durch die Firmenaufträge“, sagt Giuseppe Granatella. Die erhitzten Kinder, Hundebesitzer, Sonnenanbeter in der Rheinaue, die Spontankunden, sie würden nicht ausreichen – schon gar nicht in diesem Sommer, der ja irgendwie keiner ist: „Den haben wir schon abgehakt“, sagt Granatella. „Keine Sonne, keine Wärme – kein Geschäft.“

In den Großstädten Hamburg und Köln sind derzeit jeweils zwei Dutzend Eiswagen unterwegs. Es werden allerdings weniger. Das berichtet zum Beispiel Bernd Stumm, Lebensmittelkontrolleur bei der Stadt Köln, der vor jedem Saisonbeginn die Wagen abnimmt und auch mit den Eisverkäufern plaudert: „Die Stimmung ist nicht so gut.“ Weil es inzwischen an fast jedem See oder anderem Erholungs-Hotspot Gastronomie gebe, werde es „immer schwieriger, an geeigneten Stellen zu stehen“ wie Seen und Freibädern.

Auch in Berlin sind die Wagen nur für wenige Große rentabel. Annalisa Carnio von der Union der italienischen Speiseeishersteller (Uniteis) sieht zum Beispiel am Berliner Alexanderplatz des Öfteren Wagen einer großen Eisdiele stehen.Traditionell funktionieren die fliegenden Eishändler vor allem in der Provinz gut: an Orten, die noch nicht wie die Städte mit Eisdielen überlaufen sind. Zum Beispiel im Städtchen Schwarmstedt im niedersächsischen Heidekreis.

Doch auch dort wird das Eis dünn für die kleinen Verkaufsbusse. „Ich kenne mehrere, für die das nicht mehr rentabel ist“, sagt Renato Dal Cin. Einer seiner Kollegen habe es „allein mit dem Eisbus nicht mehr über die Runden geschafft“ und habe sich zumindest für wochentags einen anderen Job gesucht. Dal Cin aus Schwarmstedt fährt nur noch auf Bestellung raus. Das ist eine trendige Nische, sagt Uniteis-Sprecherin Carnio: „Es ist sozusagen schick, bei einem Büffet im Sommer nicht nur das übliche Fingerfood anzubieten, sondern auch einen Eiswagen.“

Gurkeneis und Basilikumsorbet

Der darf nicht nur optisch nostalgisch daherkommen, sondern auch im Angebot: Vanille, Schoko, Erdbeere gehen immer. Gurkeneis und Basilikumsorbet sind dagegen nicht immer gefragt.

In Hannover sind nur sieben Eiswagen pro Saison mit behördlicher Erlaubnis unterwegs. Genauso viele sind es aktuell in Dresden. In München dürfen sie gar nicht fahren. Die sehr um ihr Stadtbild bemühte Verwaltung erlaube „grundsätzlich keinen gewerblichen Handel auf öffentlichem Grund“, sagt Referatsleiterin Daniela Schlegel. Das richte sich nicht gegen Eisverkäufer, auch fahrbare Pommes-, Döner- und Würstelbuden seien nicht erlaubt.

Ist das nun ein Grund, wehmütig zu werden? Bedingt, findet Carnio. Carnios Verband als Zusammenschluss der stationären Eismacher sieht das fahrende Eisvolk unter hygienischen Gesichtspunkten kritisch: „Wenn so ein Wagen bei 28 Grad stundenlang herumsteht, leidet die Eisqualität enorm.“ Vertretbar sei es höchstens, maximal zwei Stunden irgendwo zu stehen, am besten mit moderner Kühltechnik, Solarstrom und fließend Wasser für den Eisportionierer. „Uns ist wichtig: Werden die gesetzlichen Vorschriften eingehalten?“, sagt Carnio.

Um die Einhaltung der Vorschriften geht es auch dem Kölner Kontrolleur Stumm. Die starken Bedenken des Eismacher-Verbands teilt er jedoch nicht: „Wir haben noch ein paar alte rumfahren, die ihren Job gut machen.“ Das gilt auch für den Bonner Eismacher Granatella: „Wir haben eine hochmoderne Kühlung.“

Der Fahrdienst Uber ließ 2014 und 2015 zwei digitale „Eistaxi“-Testballons steigen: Wer an einem bestimmten Julitag in ausgesuchten Großstädten seine Position und das Stichwort „ICE CREAM“ durchgab, sollte ein Eis bekommen. 2016 gibt es einen solchen Testballon nicht.

Das fahrende Eisgeschäft ist, so scheint es, ein analoges. Man reiht sich, die Sonne im Nacken, in eine Schlange ein, lugt zwischen den Rücken der anderen auf die dargebotenen Eissorten – und Alte strahlen wie Kinder, wenn sie ihr Hörnchen endlich in den verschwitzten Händen halten.

Morgen vielleicht wieder, wenn der Wetterbericht hält, was er verspricht. Dann geht es mit Hund die Rheinauenwiese hoch. Er wird da sein, der Eiswagen. Ganz sicher. Und der Sommermoment, wenn es ihn gibt, wird nach Limoncello schmecken.

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