Übergriffe unter Kindern Sexuelle Gewalt in Mainzer Kita

Mainz · Schockierte Eltern und viele offene Fragen: In einer kleinen Mainzer Kita soll es über längere Zeit zu sexuellen Übergriffen unter Kindern gekommen sein. Das katholische Haus ist erst mal geschlossen und die Staatsanwaltschaft ermittelt. Laut einer Mutter wusste das Personal von den Vorgängen. Inwischen hat das Bistum Mainz allen Erziehern gekündigt.

Nach mutmaßlichen sexuellen Übergriffen unter Kindern muss sich eine Mainzer Kita vielen kritischen Fragen stellen. Das Landesjugendamt kritisierte am Donnerstag die Verantwortlichen. "Man hat zu lange gewartet, bis man sich professionelle Hilfe geholt hat", sagte der Präsident der Behörde, Werner Keggenhoff. Offensichtlich seien seit Bekanntwerden der Vorwürfe mehrere Wochen vergangen, bis gehandelt worden sei.

In der katholischen Kita soll es zu sexuellen Übergriffen und Gewaltdrohungen unter Kindern gekommen sein. Anfang vergangener Woche zog die zuständige Pfarrei die Reißleine, machte die Einrichtung vorerst dicht und setzte kommissarisch eine neue Leitung ein. Erst Mitte dieser Woche wurde der Fall öffentlich bekannt.

Die Allgemeine Zeitung in Mainz berichtet, dass Kinder über einen längeren Zeitraum andere Jungen und Mädchen unter Mordandrohung zu sexuellen Handlungen gezwungen und erpresst hätten. Außerdem sei es zu Diebstählen in der Kita und bei gemeinsamen Einkäufen in einem Supermarkt gekommen. Von Erniedrigungen, Gewalt und Aggressivität ist in dem Bericht die Rede.

Eine Mutter wird von der Mainzer Zeitung zitiert, das Erziehungspersonal habe ihr gegenüber eingeräumt, von den Vorgängen gewusst zu haben. "Dass das Bistum als Träger der Kita es nicht für nötig hält, die Eltern sofort umfassend zu informieren, sondern sie tagelang im Dunkeln tappen lässt, ist unfassbar. Bei einem derartigen Verhalten verliert man jeden Glauben an Gott, unter dessen Deckmantel in dieser christlichen Einrichtung gehandelt wurde", wird die Mutter zitiert.

Viele Eltern hätten laut der Mutter massive Verhaltensänderungen beobachtet. "Meine jüngere Tochter traut sich auch zuhause nicht mehr alleine auf die Toilette. Meine ältere Tochter hat von zuhause Spielzeug in die Kita mitgenommen, das andere von ihr erpresst haben. Sie hat mir gesagt, sie werde umgebracht, wenn sie das nicht tut", wird sie zitiert.

"Vorwürfe wie diese habe ich seit Jahren nicht gehört", sagte Amtschef Keggenhoff mit Blick auf die Berichte aus der Kita. Das Landesjugendamt entscheidet in Rheinland-Pfalz auch über die Betriebserlaubnis von Kindertageseinrichtungen. Aktuell gebe es noch keinen Anlass, sie der Kita im Stadtteil Weisenau zu entziehen, sagte Keggenhoff - mittlerweile werde ja dort verantwortlich gehandelt.

Die sexuellen Übergriffe sollen sich laut Bistum Mainz über einen längeren Zeitraum ereignet haben. Die Einzelheiten würden nun untersucht. Bei der Staatsanwaltschaft in Mainz läuft ein Ermittlungsverfahren.

Möglicherweise seien Fürsorge- und Erziehungspflichten verletzt worden, sagte Oberstaatsanwalt Gerd Deutschler. Je nachdem wie die Ermittlungen verlaufen, könnten auch weitere Tatbestände in den Fokus rücken - beispielsweise fahrlässige Körperverletzung. Die Kinder sind aufgrund ihres Alters davon nicht betroffen. Die Behörde geht aber von schwierigen Ermittlungen aus, weil sie sich möglicherweise auf eine große Zahl sehr junger Zeugen stützen muss.

In der Kita wurden nach Angaben der Pfarrei zuletzt rund 55 Kinder betreut.

Das Bistum Mainz hat sexuelle Übergriffe unterKindern in einer katholischen Kita inzwischen bestätigt und allen Erzieherinnenund Erziehern der Einrichtung fristlos gekündigt. Die Mitarbeiterhätten Mitteilungen der Eltern über Übergriffe an ihren Kindern nichternst genommen, heißt es in einem Brief des Bistums vom Donnerstag andie Eltern. Es gebe derzeit keine andere plausible Erklärung für dieVorfälle als "schwere und schwerste Aufsichtspflichtverletzungen".

Auch Kardinal Karl Lehmann sei über das Ausmaß und die Vielzahl derFälle tief betroffen. Der Mainzer Generalvikar, Prälat DietmarGiebelmann, will die Einrichtung bis zum neuen Kita-Jahr geschlossenlassen.

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