Schulmassaker in den USA Pflegemutter des Amokschützen in Florida äußert sich

Washington · Rocxanne Deschamps konnte Nikolas Cruz weder retten noch aufhalten. Die Ex-Pflegemutter des 19-jährigen Parkland-Amokläufers meldet sich erstmals zu Wort.

Nach dem Schulmassaker von Parkland/Florida am Valentinstag wurde eine Formulierung inflationär oft benutzt. Sie umschreibt ein multiples Versagen von Behörden, Polizei, Schule und familiärem Umfeld des Täters Nikolaus Cruz: „Wir haben die Warnsignale nicht ernst genommen.“ Bei Rocxanne Deschamps liegen die Dinge anders.

Sie hat aus allernächster Nähe mitbekommen, dass mit dem 19-Jährigen etwas nicht stimmt. Und sie hat mehrfach und frühzeitig Alarm geschlagen – immer ohne Erfolg. Die dreifache Mutter war für einige Wochen die Aushilfsmutter des Täters, der 17 Menschenleben auf dem Gewissen hat und mit der Todesstrafe rechnen muss.

Was sie sich jetzt in New York bei einem tränenreichen Auftritt an der Seite ihrer Promi-Anwältin Gloria Allred von der Seele redete, zeigt die Hilflosigkeit eines Menschen, dessen Antennen die drohende Gefahr rechtzeitig empfangen haben. Dem am Ende aber niemand die nötige Aufmerksamkeit geschenkt hat, um die Katastrophe abzuwenden. „Ich habe alles getan, was ich konnte, um die Polizei davor zu warnen, was da passieren könnte“, las Rocxanne Deschamps eine vorbereitete Erklärung ab. „Ich wollte nicht nur meine eigenen Kinder, sondern jeden schützen. Ich wollte auch Nikolas vor sich selbst schützen.“

Deschamps war zehn Jahre lang Nachbarin von Lynda Cruz. Jener Frau, die gemeinsam mit ihrem Mann Roger Nikolas und seinen Bruder Zachary im Babyalter adoptiert hatte. Roger starb früh. Lynda übernahm die Erziehung allein. Es war eine Achterbahnfahrt. Binnen sieben Jahren musste die Polizei in Broward County/Florida in 39 Fällen Notrufen aus dem Anwesen der Familie folgen. Wegen „häuslicher Auseinandersetzungen, Vermisstenfällen und psychischer Störungen“. Mittendrin: Nikolas Cruz. Das zuständige Jugendamt stellte bei ihm Hyperaktivitätsstörungen, Depressionen und Anzeichen von Autismus fest.

"Keine Waffen in meinem Haus"

Im vergangenen Herbst stirbt Lynda Cruz an den Folgen einer Lungenentzündung. Kurz zuvor nimmt sie Rocxanne Deschamps das Versprechen ab, sich um die Jungs und deren Hunde zu kümmern. Die Nachbarin macht in ihrem Trailer-Home in Lantana Platz für die Brüder. Und setzt Regeln:„Keine Waffen in meinem Haus.“ Schon nach wenigen Tagen findet sie bei Nikolas Hinweise auf den Kauf eines Sturmgewehrs. Der Polizei berichtet Deschamps von den Umtrieben. Und davon, dass der Junge depressiv sei und sie einen Gewaltausbruch fürchte. „Es ist nicht das erste Mal, dass er jemandem eine Knarre an den Kopf hält. Seine Waffe ist sein Ein und Alles“, heißt es dazu in den Protokollen. Sinngemäße Reaktion der Cops laut Deschamps: Kann man nichts machen, alles legal.

Auch als Nikolas Cruz ihren leiblichen Sohn Rock bei einem Streit verletzt, bleiben die Ordnungshüter untätig. Nach vier Wochen und drei Polizeieinsätzen hat Rocxanne Deschamps genug. Sie schmeißt Nikolas, dem sie die mentale und emotionale Reife eines Zwölfjährigen bescheinigt, raus. „Ich habe ihm gesagt, dass er sich entscheiden muss zwischen uns und seiner neuen Waffe. Er hat sich für die Waffe entschieden.“ Cruz zog zu Freunden. Auch die will Deschamps gewarnt haben. Am Tag vor dem Amoklauf am 14. Februar schickte Nikolas ihr eine SMS. Er machte sich Sorgen um die Hunde.

Zachary Cruz, der jüngere Bruder des Massenmörders, wurde nach dem Amoklauf drei Mal auf dem Campus der Stoneman Douglas Highschool gesehen, die sein Bruder ins Unglück gestürzt hatte. Seine Anwesenheit löste die Befürchtung eines weiteren Amoklaufs aus. Ein Richter verurteilte den 18-Jährigen jetzt zum Tragen einer elektronischen Fußfessel.

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