Kronzeuge Sinkewitz belastet einstigen Bundestrainer

Radfahrer des Bonner Rennstalls T-Mobile hat sich bei WM 2000 mit Weibel über Doping ausgetauscht

Berlin. (dpa) Der Radsport-Kronzeuge Patrik Sinkewitz holt zum Rundumschlag aus und hat den ehemaligen Bundestrainer Peter Weibel belastet und Team-Manager Hans-Michael Holczer attackiert. Weibel wehrte sich vom Krankenbett aus.

"Alles unwahr", sagte der schwer kranke 57-Jährige, der vor drei Wochen seinen dritten Herinfarkt erlitten hatte, am Sonntag und kündigte Schritte gegen den ehemaligen T-Mobile-Profi an. "Das lasse ich mir nicht gefallen. Ich werde mit meinem Anwalt entscheiden, wie ich dagegen vorgehe", sagte Weibel, der von Sinkewitz beschuldigt wurde, Doping mittels des ausdauerfördernden Erythropoietin (EPO) bereits im Jahr 2000 zumindest toleriert zu haben.

Weibel ist seit Mai vom Bund Deutscher Radfahrer (BDR) freigestellt, nachdem ehemalige Athleten ihn und den inzwischen geständigen Verbandsarzt Georg Huber aus Freiburg des Dopings in den 80er und 90er Jahren beschuldigt hatten. Weibel erhält allerdings weiter Bezüge. Als Schwerbehinderter genießt er arbeitsrechtlich besondere Privilegien. Neben dem Ex-Bundestrainer griff Sinkewitz, der in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" zudem für eine Amnestie für Doping-Geständige plädierte, auch Holczer an.

Dem Manager des Gerolsteiner Teams nehme er nicht ab, von angeblicher Doping-Praxis in dessen Mannschaft "nichts gewusst" zu haben. Holczer kündigte Reaktionen an: "Das wird geklärt werden." "Ich habe mich 2000 erstmals mit Doping befasst", hatte Sinkewitz in dem Zeitungs-Interview erklärt. Vor der WM in Plouay in Frankreich habe er sich bei Weibel über das blutbildende Hormon EPO erkundigt. Der altgediente Bundestrainer, seit 1984 im Amt und auch für Jan Ullrichs Weltmeister-Triumph 1993 mitverantwortlich, habe ihm das Dopingmittel zwar nicht direkt empfohlen. "Aber er hat auch nicht abgeraten", sagte der 27-jährige Hesse.

Auch der BDR habe davon gewusst, erklärte Sinkewitz, der sich vom Verband durch die verhängte 40 000 Euro-Strafe ungerecht behandelt fühlt und eine Amnestie forderte: "Dann würden auch viele andere reden". Sinkewitz war vor sieben Jahren kurz vor der WM aus Frankreich - damalige BDR-Begründung: Erkältung - abgereist. Ausschlaggebend dafür waren nach Sinkewitz-Angaben jedoch zu hohe Blutwerte: "Weibel hat mir immer wieder in seinem Hotelzimmer den Hämatokritwert gemessen".

Da die Werte im Grenzbereich gelegen hätten, habe der Bundestrainer auf Abreise plädiert. Dazu sagte Weibel am Sonntag: "Die Messungen waren obligatorisch, weil der Wert durch das vorangegangene Höhentraining anstieg." Sinkewitz hätte sich nach eigenen Aussagen EPO in der Apotheke besorgt und selbst gespritzt. Weibel habe ihm lediglich geraten, "vorsichtig zu sein", ihn aber nicht davon abgehalten, unerlaubte Mittel zu nehmen.

Der des Testosteron-Dopings überführte Sinkewitz, der am 16. November vom BDR-Sportgericht im Zuge der Kronzeugenregelung bis zum 17. Juli 2008 gesperrt wurde und 40 000 Euro zahlen muss, fühlt sich ungerecht behandelt: "Man kann nicht den einen so behandeln und den nächsten ganz anders". Das BDR-Präsidium will das Sportgerichts-Urteil "trotz erheblicher Bedenken" nur akzeptieren, wenn der Profi zahlt und den dem Radsport zugefügten wirtschaftlichen Schaden zumindest symbolisch ausgleiche.

Der Sache nach deckten sich die neuesten Äußerungen von Sinkewitz mit der Aussage vor dem Sportgericht, teilte der BDR mit. Andere Radsportler seien in der Vergangenheit besser weggekommen als er, meinte Sinkewitz: "Die Strafe schreckt ab und torpediert die Kronzeugenregelung." Als Kronzeuge würde er sich nicht noch einmal zur Verfügung stellen. Es gehe an seine finanzielle Substanz. Zuletzt soll der Deutschland-Tour-Gewinner von 2004 bei T-Mobile 700 000 Euro verdient haben.

Positive Worte fand Sinkewitz für den Manager des T-Mobile- Rennstalls, Bob Stapleton. "Das war keine Show nach außen, Stapleton will wirklich ein sauberes Team", sagte Sinkewitz über den Amerikaner, für dessen Team er 2006 und 2007 gefahren war. Kritik übte der Radprofi dagegen an Holczer. "Ich persönlich glaube ihm kein Wort." Es sei nicht vorstellbar, dass Holczer von Doping auch in seinem Team nichts gewusst habe.

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