Polizist greift brutal zu Mob blockiert Ankunft von Flüchtlingen

Freiberg/Löbau · Menschen, die Schutz suchen, sind verängstigt. Vor dem Bus, der die Asylbewerber in die neue Unterkunft im Erzgebirge bringen soll, grölt ein fremdenfeindlicher Mob. Auch die Polizei muss sich Fragen gefallen lassen.

 Rund 100 aufgebrachte Protestierer hatten am Donnerstagabend im sächsischen Rechenberg-Bienenmühle versucht, die Ankunft der ersten Bewohner in einer neuen Einrichtung zu verhindern.

Rund 100 aufgebrachte Protestierer hatten am Donnerstagabend im sächsischen Rechenberg-Bienenmühle versucht, die Ankunft der ersten Bewohner in einer neuen Einrichtung zu verhindern.

Foto: Screenshot Twitter

Eine Blockade fremdenfeindlicher Demonstranten vor einer sächsischen Flüchtlingsunterkunft sorgt erneut für Entsetzen. Rund 100 aufgebrachte Protestierer hatten am Donnerstagabend im osterzgebirgischen Rechenberg-Bienenmühle versucht, die Ankunft der ersten Bewohner in einer neuen Einrichtung zu verhindern. Dabei riefen sie Parolen wie „Wir sind das Volk“. Erst nach Stunden konnten die Flüchtlinge, darunter Frauen und Kinder, zu ihrer Unterkunft gebracht werden. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) verurteilte die Proteste scharf.

Nach Angaben der Polizei hatten die Gegner der Unterkunft die Straße zum Heim mit drei Autos blockiert. Erst nach etwa zwei Stunden seien die Wagen entfernt worden. Im Internet kursierte ein Video, das angeblich die tumultartigen Ereignisse am Donnerstagabend im Ortsteil Clausnitz zeigt und auf einer zwischenzeitlich gelöschten fremdenfeindlichen Facebook-Seite veröffentlicht worden sein soll. In dem knapp halbminütigem Film ist zu sehen, wie Flüchtlinge in einem Bus verängstigt sind. Eine Frau und ein Junge weinen. Auf der elektronischen Anzeigetafel des Busses steht „Reisegenuss“.

Am Abend tauchte eine zweite Videosequenz auf, die der anderen vorauszugehen scheint und den Einsatz der Polizei in ein Zwielicht taucht. Zu sehen ist, wie Polizisten Menschen offensichtlich mit Zwang aus dem Bus holen und in ein Haus bringen. Ein Beamter setzt dazu bei einem wohl halbwüchsigen Jungen einen Klammergriff ein, während draußen die Menge johlt. Anschließend ist zu sehen, wie ein anderer Junge freiwillig, aber weinend den Bus in Richtung des Hauses verlässt.

Innenminister Ulbig reagierte prompt: „Ich habe mir das Video angesehen. Die Bilder sprechen ihre Sprache.“ Das Ministerium werde den Einsatz der Polizeidirektion Chemnitz mit allen Beteiligten umgehend auswerten: „Erst dann können wir Konsequenzen ziehen.“

Nach Auftauchen des ersten Videos hatte Ulbig betont, es sei „zutiefst beschämend“, wie mit den Menschen umgegangen worden sei. „Anstatt wenigstens den Versuch zu unternehmen, sich in die Situation der Flüchtlinge zu versetzen, blockieren einige Leute mit plumpen Parolen den Weg von schutzsuchenden Männern, Frauen und Kindern“, so der Minister.

Die Polizei war mit 30 Beamten im Einsatz. Sie ermittelt wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.

Der Bürgermeister von Rechenberg-Bienenmühle, Michael Funke (parteilos), sagte der „Freien Presse“, er schäme sich für das Geschehene. Zugleich nahm er aber die Demonstranten in Schutz. Der Großteil der Menge sei „nicht auf Krawall gebürstet“ gewesen. Auch habe der Protest sich nicht gegen die Flüchtlinge gerichtet: „Es ging um die große Politik und nicht um die Menschen an sich.“

Es ist nicht das erste Mal, dass in Sachsen ankommende Flüchtlinge mit Protest empfangen wurden. Die bisher schwersten Ausschreitungen gab es im vergangenen August in Heidenau, als Rechtsradikale eine neue Unterkunft in einem Baumarkt belagerten und die Polizei mit Pyrotechnik und Wurfgeschossen attackierten. Zuvor war es bereits bei der Errichtung eines Zeltlagers in Dresden zu Krawallen von Neonazis gekommen. Vorfälle gab es auch in Freiberg und Meerane.

Am Freitag wurde Haftbefehl gegen zwei 16 und 26 Jahre alte Männer erlassen, die am Vorabend einen Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft im ostsächsischen Löbau verübt haben sollen. Verletzt wurde niemand. Die von den mutmaßlichen Tätern gegen das Heim geworfenen Brandflaschen waren verloschen, ohne großen Schaden anzurichten.

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