Kinderärzte befürchten negative Auswirkungen Lassen sich Jugendliche von der Film-Zigarette beeinflussen?

Köln · Kinderärzte und Bundesregierung fürchten einen negativen Einfluss von Raucherszenen im Film auf junge Leute. Jugendforscher Hurrelmann sieht qualmende Schauspieler gelassen: Rauchen sei ohnehin nicht mehr cool.

Casablanca, James Bond oder Pulp Fiction: Schon seit jeher wurde in Spielfilmen kräftig geraucht. Galt die Zigarette einst wahlweise als cool, freigeistig, intellektuell oder verführerisch, ist sie heute oftmals Symbol für die verzweifelte Gemütslage der Protagonisten wie in der Science-Fiction-Serie „Stranger things“ oder aber Zeitgeist-Accessoire wie bei der 60er-Jahre Retro-Serie „Mad Men“. Manche Filme erhoben das Rauchen sogar zum Kult wie Jim Jarmuschs „Coffee and Cigarettes“ oder Paul Austers „Blue in the face“.

In deutschen Filmen kommt die Zigarette noch oft zum Einsatz, wie eine Studie des Kieler Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung aus dem Jahr 2017 belegt. Reiner Hanewinkel, Professor für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, ließ 81 Kinofilme untersuchen. In den Werken, die für den deutschen Filmpreis „Lola“ eingereicht wurden, wurde in rund 85 Prozent der Fälle geraucht. Schon seit Jahren schaut Hanewinkel auf die deutsche Filmindustrie - und prangerte schon 2007 an, dass es in deutschen Filmen mehr Raucher-Szenen gebe als in vergleichbaren TV-Produktionen anderer Länder. „Das ist indirekte Werbung“, klagte er.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), ist ebenfalls überzeugt, dass Jugendliche sich durch qualmende Tatort-Kommissare oder melancholische Anti-Helden mit Zigarette im Mundwinkel wie bei der Tragikomödie „Oh boy“ beeinflussen lassen. „Je häufiger Jugendliche in Film und Fernsehen sehen, dass geraucht wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie selbst zur Zigarette greifen“, sagte sie Anfang Januar. Diesen Zusammenhang hatte auch Hanewinkel 2007 in einer Studie belegt. Mortler forderte weniger Raucherszenen und schloss sich damit der Position der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an.

Jugendforscher sieht Rauchen im Film gelassen

Der Verband der Kinder- und Jugendärzte mit Sitz in Köln hat zum Nikotinkonsum vor laufender Kamera eine klare Haltung: „Wenn in Filmen rauchende Schauspieler abgebildet werden, ist das etwas, was Kinder und Jugendliche negativ beeinflussen kann. Das darf nicht sein“, sagt Pressesprecher Hermann Kahl. „Wir als Kinder- und Jugendärzte sind natürlich gegen das Rauchen in Filmen.“

Doch wie stark ist die Wirkung auf heutige Jugendliche in Deutschland tatsächlich? Jugendforscher Klaus Hurrelmann sieht das Rauchen auf Leinwänden gelassen. Denn: „Rauchen ist nicht mehr cool. Es hat an Wertigkeit und Ausdrucksstärke verloren.“ Für junge Leute gelte es längst nicht mehr als lässig, an der Zigarette zu ziehen. „Das Verbot, in öffentlichen Räumen zu rauchen, hat stark mit dazu beigetragen, dass Rauchen sein Image verloren hat“, sagt Hurrelmann. „Rauchen fühlt sich an wie eine Ausnahmeerscheinung: Man hat das Gefühl, man wird diskriminiert - dann überlegt man sich das nochmal genau.“

Außerdem gälten bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen nun andere Ideale als bei vorhergehenden Generationen. Sie wollten körperlich fit bleiben, um den täglichen Anforderungen gewachsen zu sein. „Man muss heutzutage immer aufmerksam, immer dabei sein - da passen bestimmte Drogen nicht mehr ins Bild“, erklärt Hurrelmann, der an der Hertie School of Governance Jugendstudien erstellt, darunter auch die Shell-Jugendstudien. „Die Anzahl der jugendlichen Raucher ist deshalb auf einem historischem Tief.“

Zahlen der jugendlichen Raucher sinken

Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sinken die Zahlen schon seit Anfang der Nullerjahre. Lag die Raucherquote bei den 12- bis 17-Jährigen 2001 noch bei 28 Prozent, sank sie bis 2014 auf zehn Prozent. Auch bei den 18- bis 25-Jährigen ging der Anteil im gleichen Zeitraum deutlich zurück - von 45 auf 30 Prozent. Dagegen steigt nach einer Studie der Krankenkasse DAK die Beliebtheit von Shishas bei jungen Leuten.

Für Hurrelmann ist der starke Rückgang des Zigarettenrauchens ein Zusammenspiel aus steigenden Preisen, Verfügbarkeit, eingeschränkter Werbung und Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden. Doch ob auch ein Rauchverbot in Filmen die Zahl weiter drücken könnte, ist für ihn fraglich. „Ich glaube, die szenische Darstellung in Filmen spricht im Wesentlichen die an, die rauchen oder die unmittelbar davor sind, ins Rauchen einzusteigen“, sagt er. „Doch für die Mehrzahl der Jugendlichen ist es nicht cool - und da kann eine Filmdarstellung ohne weiteres auch nichts anrichten.“

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