Schwerer als Mount Everest K 2 ist der neue Lieblings-Gipfel der Bergsteiger

Islamabad · Er gilt als der "Berg des Todes" und ist der zweithöchste Gipfel der Erde: Beim Besteigen des K 2 an der Grenze zwischen Pakistan und China stirbt im Schnitt jeder vierte Bergsteiger. Dennoch entwickelt sich an ihm ein Hochgebirgstourismus.

Auf dem Tisch des Loafology-Cafes in Pakistans Hauptstadt Islamabad, in dem ein polnisches Ehepaar Brot, Kaffee und Kuchen offeriert, liegt eine Packung Zigarettentabak. Andrzej Bargiel pafft voller Genuss eine Selbstgedrehte und stöhnt. Die schwüle Sommerhitze macht dem polnischen Bergsteiger zu schaffen. 60 Tage lang hat sich der 30-jährige Alpinist aus Zakopane an den steilen Abhängen des 8611 Meter hohen K 2 umgetan – nach dem Mount Everest in Nepal der zweithöchste Berg der Welt. Am 22. Juli stürzte er sich gar als erster Mensch auf Skiern vom Gipfel und erreichte nach sechs Stunden das Basislager. „Bei gutem Wetter wäre es vielleicht sogar in rund drei Stunden möglich“, sagt Bargiel.

Grund der Verzögerung: „Ich habe zwei Stunden im Nebel festgesteckt.“ Im Nebel würde es wahrscheinlich manchem Alpinisten auf zwei Füßen mulmig. Polnische Bergsteiger haben sich seit dem Fall des Eisernen Vorhangs im Himalaja, dem Karakorum und Hindukusch den Ruf als besonders wagemutige Bergsteiger verdient. Polen versuchten gar, den K 2-Gipfel als erste im Winter zu bezwingen, mussten aber wegen heftiger Stürme kapitulieren.

Laut Statistiken stirbt einer von vier Bergsteigern, die den wegen seines unberechenbaren Wetters, gefährlicher Lawinen und plötzlichen lebensgefährlichen Steinschlags berüchtigten „Berg des Todes“ dicht an der pakistanischen Grenze zu China bezwingen wollen. „Die einfachsten Passagen am K 2 entsprechen den schwierigsten am Mount Everest“, sagt der 39-jährige John Stenderup im Restaurant eines Fünf-Sterne-Hotels in Islamabad. Er gehört zu den 58 Bergsteigern, die am 21. und 22. Juli diesen Jahres auf dem Gipfel des K 2 standen – der Gipfel ist in etwa so groß wie ein Einzelbett.

Gipfelsturm kostet 60 000 Dollar pro Kopf

Stenderup, ein hochgewachsener und muskulöser Kalifornier aus Monterey, gehörte zu den acht Kunden des Unternehmens Madison Mountaineering, die gegen ein Entgelt von 60 000 US-Dollar pro Kopf mit Hilfe von elf aus Nepal eingeflogenen Sherpas, 250 Trägern und 60 Maultieren zum K 2-Gipfel gebracht wurden. Nach seinen Motiven gefragt, philosophiert Stenderup über Gefühle: „Das ist anders als beim Fallschirmspringen. K 2 oder Mount Everest bringt nicht den schnellen Kick, sondern ein langsam ansteigendes Hoch.“

Garrett Madison, der 39-jährige Besitzer von Madison Mountaineering, sieht die Motive von vielen seiner begüterten Klientel nüchterner: „Die meisten wollen anschließend zu Hause glänzen.“ Die Besteigung von Achttausendern gehört für den Mann aus Seattle fast zum Alltag. Bevor er mit seinen Kunden im Juli den K 2 bezwang, war er mit einer anderen Gruppe auf dem Mount Everest. Er bietet auch Trips auf das Vinson Massif in der Antarktis, den Mont Blanc samt Wein und Käse in Frankreich sowie die Dolomiten an.

Pakistan freut sich über das Interesse an seiner Bergwelt. Selbst der 8126 Meter hohe Nanga Parbat zieht wieder Bergsteiger an. 2013 töteten 16 islamistische Extremisten im Basislager elf ausländische Bergsteiger und einen lokalen Führer. Der Kriminalbeamte, der die Morde untersuchte, wurde ebenfalls umgebracht.

„Klar benötige ich etwas Überzeugungsarbeit, um meine Kunden zur Teilnahme an einer K 2-Besteigung zu überreden“, sagt Madison. Mit einer Dauer von 60 Tagen für Akklimatisierung und Anmarsch gibt es zwar keinen Unterschied. „Aber der Weg zum K 2 ist sehr viel rauer als beim Mount Everest, der Berg birgt mehr Herausforderungen, er ist viel abgelegener und das Wetter ist noch unberechenbarer“, sagt Madison.

Drei bis vier Monate für Klettergenehmigung

Dennoch sind erste Anzeichen eines K 2 Hochgebirgstourismus unübersehbar. „Es gibt kommerzielle Unternehmen wie meines, die kaum Aufwand scheuen. Es gibt Bergsteiger wie die Polen, die auf eigene Faust losgehen. Es gibt die dritte Kategorie mit Leuten, die sich auf andere verlassen und ihnen hinterherklettern.“

So musste das Team von Madison, das Seile bis zum Gipfel gespannt hatte, beim Abstieg erkennen, dass die Kletterhilfen besetzt waren. Eine japanische Gruppe nutzte sie zum Gipfelsturm. Selbst Ersatzseile wurden von den Bergsteigern aus Fernost kurzentschlossen gekapert. „Wir mussten ihnen zurufen, sie loszulassen“, erinnert sich Madison.

„Ich weiß nicht, ob das gut für den K 2 ist“, sinniert Ski-Abfahrer Bargiel. Seine Sorgen scheinen dank Pakistans Bürokratie vorläufig unbegründet. Klettergenehmigungen brauchen mit drei bis vier Monaten viel länger als in Nepal für den Everest. Möchtegern-Bergsteiger müssen ein 32-seitiges Formular ausfüllen. „Manchmal kommt das grüne Licht erst zwei bis drei Tage vor dem Start“, sagt Madison, „versuchen Sie so einmal, eine Expedition zu planen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort