Erdbeben Italien nimmt Abschied von Erdbebenopfern

Ascoli Piceno · Landesweit wehen die Flaggen auf halbmast. In Ascoli Piceno gedenkt Italien bei einem Staatsakt der vielen Toten des jüngsten Erdbebens. Es ist ein Tag der Trauer, doch auch kritische Fragen werden laut.

Drei Tage nach dem schweren Erdbeben hat Italien mit einem Staatsbegräbnis Abschied von den Opfern genommen. An der zentralen Trauerfeier in der Stadt Ascoli Piceno nahmen auch Staatspräsident Sergio Mattarella und Regierungschef Matteo Renzi teil.

Vor ihnen standen aufgereiht 35 mit Blumen geschmückte Särge, daneben weinende Angehörige. In ganz Italien wurden zum Tag der nationalen Trauer die Flaggen auf halbmast gesetzt. Der Sender RAI verzichtete auf allen seinen Kanälen aus Respekt vor den Opfern auf Werbung. Über eine Solidaritäts-SMS wurden bereits mehr als sechs Millionen Euro gesammelt.

"Wir sind in einer Zeit des Krieges, und auch das Erdbeben ist ein Krieg", sagte Bischof Giovanni D'Ercole beim Staatsakt in einer großen Sporthalle. "Habt keine Angst, euer Leid hinauszurufen, aber verliert auch nicht euren Mut."

Als er die Namen der 35 Toten in den Särgen vorlas, schluchzten Angehörige auf. Manchem wurde übel, auch wegen der drückenden Hitze. "Zusammen werden wir unsere Häuser und Kirchen wieder aufbauen", tröstete der Bischof.

Nach den verheerenden Erdstößen in der Nacht zum Mittwoch und mehr als 1300 Nachbeben in Zentralitalien stieg die Zahl der Todesopfer weiter - zuletzt auf mehr als 290. Fast 400 Menschen wurden in Krankenhäusern behandelt. Etwa 2500 verloren ihr Hab und Gut. Viele wurden in Zeltstädten untergebracht.

Am stärksten betroffen ist der Ort Amatrice in der Region Latium, wo mehr als 230 Menschen in den Tod gerissen wurden. Dort soll am kommenden Dienstag eine weitere Trauerfeier mit Regierungschef Renzi stattfinden.

Staatschef Mattarella umarmte die Trauernden, später besuchte er Verletzte im Krankenhaus. Auch Renzi zeigte sich tief bewegt und sprach mit den Angehörigen. Vor dem Staatsakt hatte Mattarella sowohl Amatrice als auch das nahe Accumoli besucht. "Danke für das, was ihr macht", sagte er zu Bergungskräften dort. "Das ist unsere Pflicht", antworteten die Helfer. Die Katastrophe hat die historischen Ortskerne der Bergdörfer völlig verwüstet. Einst gehörten sie zu den schönsten Dörfern Italiens.

Beim letzten schweren Erdbeben waren 2009 in L'Aquila 309 Menschen getötet worden. Behördensprecher befürchten, dass auch das jüngste Beben diese Ausmaße erreichen könnte. Unter den jetzigen Opfern ist ein 20 Monate altes Kind, dessen Mutter die Katastrophe in L'Aquila überlebt hatte.

Der Erdbebenschutz wurde nach L'Aquila verbessert, die Regeln werden jedoch oft nicht umgesetzt. Viele der alten Häuser waren am Mittwoch innerhalb von Sekunden in sich zusammengebrochen. Die Staatsanwaltschaft in den verwüsteten Regionen leitete Ermittlungen wegen möglicher Schlamperei am Bau ein. In der Provinz Rieti soll etwa untersucht werden, ob gegen Bauvorschriften verstoßen wurde.

"Was da passiert ist, kann nicht nur als Unglück gesehen werden", zitierte die Tageszeitung "La Repubblica" Staatsanwalt Giuseppe Saieva. Bei einigen der zerstörten Häuser sei "mit mehr Sand als Zement" gebaut worden. Vor allem der Einsturz einer erst kürzlich renovierten Grundschule in Amatrice hatte Aufsehen erregt.

Auch die Staatsanwaltschaft in der Provinz Ascoli Piceno ermittelt. Untersucht werden soll unter anderem, wer für den Bau, Wiederaufbau oder die Erdbebensicherung der Wohngebäude zuständig war. Ein Teil des betroffenen Gebiets war bereits 1997 bei einem Beben in Mitleidenschaft gezogen worden.

Die zerstörten Dörfer sollen wiederaufgebaut werden nach altem Vorbild, aber angesichts der Erdbebengefahr in der Bergregion des Apennin sicherer werden, versprach Staatssekretär Claudio De Vincenti.

In Amatrice wurden zwei mutmaßliche Plünderer für eine Überprüfung festgenommen. Sie hätten sich auffällig in den Ruinen eines Gebäudes bewegt, meldete die italienische Nachrichtenagentur Ansa. Am Freitag wurde bereits ein ähnlicher Vorfall aus Amatrice gemeldet. Polizeibeamte sind in der Erdbebenregion unterwegs, um unter anderem Kirchen vor Plünderungen zu schützen.

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