Präsident fordert Bestrafung Impfskandal in China weitet sich aus

Peking · Skandale um Medikamente oder Nahrungsmittel haben in China hohe politische Sprengkraft. Nach Enthüllungen über Manipulationen bei Impfstoffen schaltet sich Präsident Xi ein. Es ist kein Einzelfall.

 Ein Kind bei einer Impfung in der zentralchinesischen Provinz Anhui.

Ein Kind bei einer Impfung in der zentralchinesischen Provinz Anhui.

Foto: Uncredited/CHINATOPIX/Archiv

Ein massiver Impfstoff-Skandal erschüttert China. Möglicherweise sind Hunderttausende Kinder betroffen. Nach Enthüllungen über die regelwidrige Produktion von Tollwut-Impfstoffen bei einem Hersteller wurden Details weiterer Fälle bekannt.

Wie ernst Chinas Führung die Affäre nimmt, demonstrierte Präsident Xi Jinping, der am Montag von einer Afrika-Reise aus sofortige Untersuchungen und eine strenge Bestrafung der Verantwortlichen forderte. Er nannte die Vorfälle "schrecklich und schockierend", wie das Staatsfernsehen von der Visite in Ruanda berichtete.

Skandale mit fehlerhaften Medikamenten oder Nahrungsmitteln haben in China eine starke politische Sprengkraft, besonders wenn Kinder betroffen sind. Es gibt ohnehin wenig Vertrauen in die Aufsichtsbehörden. Auch werden Berichte in den Staatsmedien zensiert und geben selten ein volles Bild der Lage. Bei dem Mangel an Transparenz und angesichts des hohen Misstrauens in die Behörden verbreiten sich Gerüchte rasant über soziale Medien.

Die Arzneimittelaufsicht verfügte wegen "schwerer Verstöße gegen betreffende Gesetze und Vorschriften" einen Produktionsstopp bei dem Tollwut-Impfstoff-Hersteller Changsheng Life Sciences in der Stadt Changchun (Provinz Jilin) in Nordostchina. Die Firma habe unter anderem Unterlagen über den Herstellungs- und Inspektionsprozess gefälscht, berichtete die Nachrichtenagentur Xinhua.

In den staatlich streng kontrollierten Medien tauchten keine Berichte auf, dass Menschen zu Schaden gekommen seien oder Tollwut bekommen hätten, weil die Medikamente fehlerhaft oder unwirksam waren. Es wird noch untersucht, ob die mangelhaft hergestellten Impfstoffe überhaupt gegen Tollwut schützen. Die Firma gab an, das Medikament sei "nicht schädlich". Wie viele betroffene Tollwut-Impfdosen ausgeliefert oder verabreicht wurden, ist unklar. 2017 produzierte die Firma davon drei Millionen.

Offenbar um die Aufregung zu dämpfen, berichtete die staatliche Zeitung "Global Times", die Impfstoffe seien "nicht länger auf dem Markt". Dagegen berichteten Behörden, dass jetzt erst ein Rückruf ausgesprochen worden sei. Die Vorgänge sind laut Xinhua am 5. Juli durch einen Hinweis über die Manipulationen ans Licht gekommen.

Auch wurden Details weiterer Zwischenfälle mit dieser und mindestens einer anderen Firmen bekannt. So seien im Oktober 650.000 unwirksame Impfstoffe gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten (DPT) auch bei dem Hersteller Changsheng entdeckt worden, berichtete Xinhua. Der Stoff sei in der Provinz Shandong 215.184 Kindern im staatlichen Impfprogramm ab drei Monaten injiziert worden, berichtete "China Daily". "Es kann sich auf den Immunitätsschutz auswirken, aber ist keine Gefahr für die Gesundheit", schrieb die Staatsagentur Xinhua.

Die Produktion sei seither ausgesetzt worden. Die Strafe belief sich auf 3,4 Millionen Yuan, umgerechnet 430.000 Euro. Das Unternehmen machte allerdings eigenen Angaben zufolge im vergangenen Jahr 566 Millionen Yuan Gewinn und hat 43 Millionen Yuan an staatlichen Subventionen bekommen, wie die Hongkonger Zeitung "South China Morning Post" berichtete.

Ein anderer Hersteller ist auch im Visier der Ermittler. So seien in der Provinz Hebei 143.941 Kindern schadhafte DPT-Impfstoffe des Wuhan Institute of Biological Products injiziert worden, berichtete die "China Daily". Der Stoff sei ferner in der 30-Millionen-Metropole Chongqing vertrieben worden, ohne dass die Menge klar sei.

Schon 2016 hatte es in China einen Skandal gegeben, weil Impfstoffe verkauft worden waren, deren Haltbarkeit abgelaufen war oder die unangemessen gelagert worden waren. Mehr als 350 Funktionäre wurden damals bestraft.

Ministerpräsident Li Keqiang sagte, die neuen Zwischenfälle hätten eine "moralische Grenze" überschritten und müssten aufgeklärt werden. Seine Regierung werde energisch gegen alle illegalen Taten vorgehen, "die das Leben der Menschen in Gefahr bringen". Auch werde gegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht vorgegangen.

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